Wie Bensheim von der Energiewende profitieren kann

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Symbolbild Windkraftanlage (Foto: pexels auf Pixabay)

Klimaneutral bis 2045? Ein Ziel, das sich Deutschland gesetzt hat. Dabei kann die Energiewende im Ganzen nur mit dem Engagement vor Ort gelingen. Wie kann eine Stadt wie Bensheim bei der Energieversorgung zukunftssicher und unabhängiger werden? Umweltdezernentin Nicole Rauber-Jung und Steffen Giegerich, Teamleiter Klimaschutz, Umwelt und Energie, befassen sich bereits seit Längerem mit den zukünftigen Möglichkeiten, wie Bensheim die Energiewende umsetzen kann und dabei sogar davon profitiert.

„Wir müssen die Wende von den fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren vollziehen. Das müsste mittlerweile allen klar sein“, betont Umweltdezernentin Nicole Rauber-Jung. Die Ziele für Bensheim: bezahlbare Energie zur Verfügung stellen und die Versorgung stabil halten. „Dadurch bleiben wir ein attraktiver Wirtschafts- und Wohnstandort – und gelten als unabhängig und krisensicher“, so die Stadträtin.

Elektrizität wird die Grundlage der zukünftigen Energieversorgung

In einem umfangreichen Konzeptpapier haben Nicole Rauber-Jung, Steffen Giegerich und sein Team zusammengefasst, was die Energiewende für Bensheim bedeuten könnte und welche Chancen sie bietet. „Die Elektrizität wird die Grundlage unserer zukünftigen Energieversorgung sein“, erklärt der städtische Energiebeauftragte. Laut der Studie des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme muss der Kreis Bergstraße bis 2045 durch den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieträger mit einem Anstieg des Strombedarfs von mindestens 62,5 Prozent rechnen.

Je mehr sich die lokale Energieversorgung aus erneuerbaren Energien einer 100-prozentigen Versorgung nähert, umso mehr wirtschaftliche Effekte und Wertschöpfung vor Ort lassen sich damit erzielen. Von dieser Wertschöpfung könnte Bensheim als Stadt enorm profitieren. Rund 200 Millionen Euro wurden im Jahr 2022 allein auf Bensheimer Gemarkung für Energie und Treibstoffe ausgegeben. Ein wesentlicher Anteil davon könnte zukünftig in Bensheim verbleiben, wenn die lokal benötigte Menge Energie durch den Einsatz von erneuerbaren Energien direkt vor Ort hergestellt und genutzt wird. Um das zu erreichen, „müssen wir jetzt die richtigen Weichen stellen, damit dieser Betrag nicht dauerhaft abfließt“, betont Giegerich. Der städtische Energiebeauftragte verdeutlicht, dass „uns eine riesige Transformation vor der Haustür steht“.

Doch wie ist der aktuelle Stand in der Bundesrepublik? Der aktuelle Strombedarf wird zwar zu 50 Prozent durch erneuerbare Energie abgedeckt. Bei der Wärme sind es aber nur knapp 20 Prozent, im Verkehrsbereich sogar nur knapp 10 Prozent. „Diese Zahlen machen ansatzweise bewusst, welche Herkulesaufgabe tatsächlich vor uns liegt“, so Giegerich.

Erneuerbare Energien günstigste Erzeugungsformen

Erneuerbare Energien sind mittlerweile, egal ob Windkraft oder Photovoltaik, die günstigsten Erzeugungsformen. Das belegen verschiedene Studien, beispielsweise die des Fraunhofer Instituts Stromgestehungskosten erneuerbare Energien. Dass die erneuerbaren Energien zu teuer sind, sei damit kein Argument mehr.

Auf Bensheimer Gemarkung wird bisher mit fossil betriebenen Blockheizkraftwerken und durch die installierten Photovoltaikanlagen Strom produziert. Die lokale Stromproduktion liegt aktuell bei lediglich acht Prozent aus erneuerbaren Energien. 92 Prozent müssen zukünftig demnach importiert werden.

„Photovoltaik ist in unserer Region wunderbar nutzbar und sollte ausgenutzt werden. Aber sie ist nur saisonal begrenzt verfügbar und reicht alleine nicht aus“, erklärt Giegerich.
In den Wintermonaten brauche man weitere Erzeugungsformen, damit das ganze Jahr von erneuerbaren Energien profitiert werden kann. Eine Möglichkeit wäre neben der Windkraft die Geothermie, die untersucht werden könnte. Der Rheingraben bietet theoretisch ein großes geothermisches Erzeugungspotential. Doch Expertinnen und Experten weisen auch auf die Risiken beispielsweise von seismischer Aktivität oder Grundwasserverschmutzung hin. Zudem sind die Kosten für Bohrungen sehr hoch.

Doch eines steht fest: Unsere Landschaft wird sich in Zukunft verändern. „Wir werden mehr Strommasten, mehr Windkraftanlagen sehen oder großflächige Photovoltaik-Anlagen, die die Region prägen werden“, fasst Rauber-Jung zusammen.

Für Bensheim wurden im Konzeptpapier unterschiedliche Szenarien durchgespielt, wie Klimaneutralität bis 2045 theoretisch erreicht werden könnte.

„Es sind zunächst nur Szenarien. Sie zeigen aber, welches Potenzial es hier gibt“, betont Umweltdezernentin Rauber-Jung. Ob wir am Ende 50 Prozent der lokal benötigten Energie erzeugen oder ob es 100 Prozent sein sollen, sei eine politische Entscheidung.

Die Zielsetzung, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen, gilt für ganz Deutschland. Es ist eine „historische Chance“, künftig von solch einer lokalen Wertschöpfung profitieren zu können, inklusive der Vorteile für den Klimaschutz. „Lokal erzeugen, lokal verbrauchen ist das Beste für alle Beteiligten“, bilanziert die Umweltdezernentin.

Potenzielle Standorte für Windräder

Potenzielle Standorte für Windräder gibt es auf Bensheimer Gemarkung: Die Höhenzüge des Odenwalds kommen ebenso infrage wie Flächen im Ried. Heiligenberg und Kesselberg zwischen Bensheim und Heppenheim werden im Konzept ebenso genannt wie der Teufelsberg im Dreieck Hochstädten, Felsberg, Reichenbach, der Knodener Kopf und Gebiete zwischen Bensheim und Lorsch oder Fehlheim und Bensheim.

„Landschaftsschutz und Naturschutzbelange müssen dabei mit einbezogen und berücksichtigt werden“, so die Umweltdezernentin. Unter anderem müssen zum Beispiel Vogelzugrouten oder nachtaktive Tiere beachtet werden.

Vorgestellt wurde das Konzept bereits im Magistrat und in allen Bensheimer Fraktionen. „Unser Ziel war, der Politik Fakten und eine Entscheidungsgrundlage zu vermitteln. Die Kommunalpolitik muss später entscheiden, wie autark wir sein wollen, wie viel Profit wir daraus ziehen und welchen Technologien wir uns öffnen wollen“, erklärt Rauber-Jung abschließend.

Geplant ist außerdem, das Thema bei einer Bürgerversammlung im nächsten Jahr vorzustellen, um die Bevölkerung ebenfalls einzubinden.

Weitere Informationen

Welche wirtschaftlichen Effekte entstehen darüber hinaus, wenn sich die Bensheimer Energieversorgung zu 100 Prozent aus lokalen erneuerbaren Energien speist? Diese können sein: die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze, Gewinne beteiligter Unternehmen sowie eine potenzielle kommunale Beteiligung durch Pacht, Steuereinnahmen oder in einer Betreibergesellschaft.

Darüber hinaus kann der lokale Strompreis für alle Verbraucherinnen und Verbraucher in Bensheim dauerhaft stabil oder sogar vergleichsweise niedrig gehalten werden.
In Bensheim könnten die bisher importierten Energierohstoffe wie Strom, Gas oder Heizöl größtenteils durch lokale erneuerbare Energiequellen ersetzt werden. Um die Ziele zu erreichen, braucht es eine gute Mischung der unterschiedlichen Energiearten.

(Text: PM Stadt Bensheim)