Ober-Röder Grabungsfunde wechseln wohl bald den Besitzer

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Im Jägerhaus sind rund 400 Kisten mit den Grabungsfunden gelagert. Thomas Mörsdorf, der Fachbereichsleiter „Kultur, Heimat und Europa“ hofft, dass die Übergabe der Funde an das Land in diesem Jahr über die Bühne gehen kann. (Foto: PS)

Land will im Jägerhaus gelagerte Kisten von der Stadt Rödermark übernehmen

Unzählige Kisten voller Gefäße, Scherben und Münzen lagern im Jägerhaus. Das Land Hessen will die Grabungsfunde vom Ober-Röder Kirchhügel übernehmen und sachkundig lagern, sie der Stadt aber weiterhin für Ausstellungen zur Verfügung stellen. Ein Vertragsentwurf des Landes zur Übernahme liegt seit kurzem im Rathaus vor.

Mit der künftigen Aufbewahrung der Grabungsfunde beschäftigte sich vor ein paar Wochen auch eine Anfrage der Freien Wähler in der Stadtverordnetenversammlung. Der spätere Landesarchäologe Professor Egon Schallmayer hatte von 1985 bis 1991 die Grabungen in seinem Heimatort geleitet. Aika Diesch hatte die Funde im Zuge ihrer Promotion wissenschaftlich aufbereitet. Sieben Jahre lang hat sich die Altertumsforscherin, die von der Stadt mit einem Promotionsstipendium gefördert wurde, akribisch mit der Auswertung der Fundstücke beschäftigt. Bruchstücke aus Holz und Keramik, Objekte aus Metall sowie menschliche Überreste waren damals zutage gefördert worden.

Im Jägerhaus und seinem Anbau sind die Lagerbedingungen gut, schwieriger ist es in der benachbarten Garage, wo ebenfalls einige Fundstücke untergebracht sind. In der Garage sind an einigen Kisten Schimmelschäden entstanden. Auch deshalb waren sich bereits im August vergangenen Jahres Professor Egon Schallmayer, der hessische Landesarchäologe Professor Udo Recker und Aika Diesch einig darüber, dass recht schnell eine Lösung gefunden werden muss. Eine dauerhafte, sachkundige Lagerung könne die Stadt nicht gewährleisten. Das Land will alles übernehmen und erhält dafür die Eigentumsrechte. Dies ist auch deshalb wichtig, weil nur so Landesmittel für notwendige Restaurierungs- und Aufbewahrungskosten genutzt werden können.

„Wir haben ein Interesse daran, dass wir die Funde immer mal wieder nutzen können“, sagt Thomas Mörsdorf, der Leiter des Fachbereichs „Kultur, Heimat und Europa“. Das Land hat daher zugesichert, dass die Funde für Ausstellungen oder auch für wissenschaftliche Zwecke der Stadt auf Wunsch zur Verfügung gestellt werden können. Auch Dauerleihgaben seien möglich. Beim Neubau der Alten Wache etwa ist vorgesehen, dass begrenzte Ausstellungsmöglichkeiten geschaffen werden – auch für temporäre Ausstellungen einiger archäologischer Funde. Eine Dauerausstellung ist nicht geplant.

Vor der Übergabe der Grabungsfunde an das Land kommen auf die Stadt noch ein paar Aufgaben zu. Es müssten zumindest Teile des Materials vor Ort gereinigt und umgepackt werden. Hierfür könne das Land kein Personal zur Verfügung stellen, heißt es in der Antwort der Stadt auf die Anfrage der Freien Wähler. Die Stadt muss die Grabungsfunde in einem „schädlings- und schimmelfreien Zustand“, so steht es im Vertragsentwurf, übergeben. Bei einem Vor-Ort-Termin am 25. April mit Mitarbeitern der Restaurierungswerkstatt der Landesarchäologie und Aika Diesch, die aus Konstanz anreisen wird und den besten Überblick über die Funde hat, soll Näheres geklärt werden. Bei der Reinigung will die Stadt möglicherweise auf Archäologie-Studenten oder freiwillige Helfer zurückgreifen. Der Transport sei dann schon Sache des Landes.

Die Stadt wird den Vertragsentwurf nun genau prüfen, eventuell ergänzen und in die Gremien geben. Auch die Stadtverordnetenversammlung soll noch über den Vertrag beraten. „Ich hoffe, dass wir das in diesem Jahr gut über die Bühne bringen können“, so Thomas Mörsdorf. Die Erkundungen von Aika Diesch hatten jene chronologischen Annahmen, die Egon Schallmayer vor Jahrzehnten formuliert hatte, bestätigt: Errichtung einer ersten Holzkirche ab 500 nach Christus, gefolgt von einem Steinbau im achten oder neunten Jahrhundert, diversen Ergänzungen im 14. und 16. Jahrhundert sowie dem Neubau der St.-Nazarius-Kirche in den Jahren 1894 bis 1896. Auch für Schallmayers These, dass das im Jahr 786 erstmals urkundlich erwähnte Kloster Rothaha auf dem Hügel in Ober-Roden zu verorten ist, fand Diesch kaum zu widerlegende Hinweise.

Die Experten sind sich einig, dass die Funde und die Hinweise auf Dorfgeschichte im frühen Mittelalter mit der „grundlegenden Arbeit“ von Aika Diesch, die vor allem auch naturwissenschaftliche Aspekte berücksichtigt habe, in der wissenschaftlichen Welt angekommen ist. All dies sei das Ergebnis einer beständigen jahrzehntelangen Unterstützung der Archäologie durch die Stadt Rödermark. Bei Kommunen dieser Größenordnung sei das eine Seltenheit, so Thomas Mörsdorf. „Da sind wir schon ein bisschen stolz, dass dies so gelungen ist.“

(Text: PS)