Am heutigen Freitag (28.) endet in Eppertshausen eine kommunalpolitische Ära: Dann hat Carsten Helfmann (CDU) nach 22 Jahren seinen letzten Arbeitstag als Bürgermeister der 6500-Einwohner-Gemeinde. Ab März übernimmt er die Geschäftsführung des Zweckverbands Abfall- und Wertstoffeinsammlung des Landkreises Darmstadt-Dieburg, wird also weiter zum Gedeihen seines Heimatorts beitragen, dies aber nicht mehr in der prominentesten aller Funktionen tun. Zum Abschied aus dem Amt hat der 51-Jährige unserer Zeitung noch einmal ausführlich Rede und Antwort gestanden – und dabei auch seine persönliche Gefühlswelt ob der anstehenden Zäsur offenbart.
Herr Helfmann, an Rosenmontag geht’s für Sie beim ZAW los. Wissen Sie schon, was Sie dort erwartet?
Natürlich war ich schon da und habe Gespräche geführt. Was mich alles genau empfängt, weiß ich aber noch nicht. Einen Job kennt man erst dann, wenn man ihn mal selbst gemacht hat. Hinsichtlich der Größenordnung geht es bei Personal und Budget in eine ähnliche Richtung wie in Eppertshausen. Auf der Gemeinde haben wir 65 Beschäftigte, beim ZAW sind es 90. Unser Etat in Eppertshausen beläuft sich auf 20 Millionen Euro im Jahr, beim ZAW sind es 30.
Was hat für diese neue Tätigkeit gesprochen?
Sie ist in der Region, die ich kenne und in der ich zuhause bin. 80 Prozent des ZAW gehören den 23 Städten und Gemeinden, 20 Prozent dem Landkreis. Der Wechsel kommt aber auch, um geregelte Arbeitszeiten zu haben. Wenn ich zuhause bin, will ich jetzt wirklich mal Feierabend haben!
Das war als Bürgermeister anders …
Definitiv. Ich selbst habe zunehmend das Gefühl gehabt, ich müsste zu jeder Zeit zu jedem Thema etwas sagen können. Sie glauben nicht, wie oft ich nachts um vier noch E-Mails geschrieben habe, weil ich nicht schlafen konnte. Wenn ich sie an die anderen Bürgermeister im Kreis verschickt jabe, kamen die ersten Antworten meist wenige Minuten später. Einigen Kollegen geht es also ähnlich.
Nein zu sagen ist Ihnen – auch mit Blick auf Ihre vielen weiteren Ämter – offenbar schwer gefallen.
Das war so, auch weil die Forderungen der Bürger immer vehementer und direkter geworden sind. Es gibt keine Hemmschwelle mehr. Entweder duckt man sich da weg – oder man versucht, die Dinge zu erklären. Ich habe mich immer für letzteres entschieden. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass die Leute immer weniger kompromissbereit sind. Auch unsere 23 Gemeindevertreter machen sich für alle Bürger Gedanken, immer mehr Leuten geht es aber nur um ihre Einzelinteressen. Das hat sich gegenüber meiner Anfangszeit verändert. Vielleicht waren wir vor 20 Jahren in Eppertshausen aber auch nur eine Insel der Glückseligen. Man muss auch immer betonen, dass 95 Prozent der Bürger umgänglich und respektvoll sind. Die, über die man sich ärgert, sind klar in der Minderheit.
Nun, da Ihre Versetzung in den Bürgermeister-Ruhestand auch formal beschlossen ist und es kein Zurück mehr gibt: Wie sieht Ihre Gefühlswelt angesichts der großen anstehenden Veränderung aus?
Ursprünglich hatten mich die Bürger für meine vierte Amtszeit ja bis zum 31. Januar 2027 gewählt. Im vergangenen Sommer hatte ich für mich entschieden, dass ich nicht noch mal kandidieren würde. Mit Blick auf die ZAW-Geschäftsführung hatte ich Wochen, in denen ich überlegt hatte, ob das das Richtige für mich ist. Ich bin zu der Entscheidung gelangt, dass ich diesen Schritt jetzt machen will.
Wie fielen die Reaktionen aus, nachdem Sie dies bekannt machen hatten?
Die, die mit mir gesprochen oder mir geschrieben haben, haben alle positiv reagiert. Viele waren glücklich, dass ich Eppertshausen auch in meiner neuen Funktion erhalten bleibe. Ich bin von den Rückmeldungen überwältigt. Das „Schlimmste“, was ich lesen musste, war ein Eintrag bei Facebook, dass es Zeit werde, dass ich aufhöre.
Da haben Sie in den zwei Jahrzehnten schon anderes erlebt. Unter anderem berichteten Sie, dass während der Corona-Zeit sogenannte „Spaziergänger“ vor Ihrem Haus auf und ab marschierten und es auch mal Drohungen gegen Ihre Familie gab. Insgesamt scheinen Sie aber recht unbeschadet und sehr angesehen durch die lange Phase als Verwaltungschef gekommen zu sein. Was war Ihr Rezept?
Ich denke, dass ich immer versucht habe, mich in andere hineinzuversetzen, um sie zu verstehen. Ich habe versucht, mich auch um Kleinigkeiten zu kümmern. Zudem habe ich mich immer vor meine Mitarbeiter gestellt – eine gute Fehlerkultur ist mir ganz wichtig! Insgesamt glaube ich: Ich habe niemanden im Regen stehen gelassen.
Wo haben Sie aus Ihrer Sicht die größten Spuren in der Ortsentwicklung hinterlassen?
Der „Park45“ ist sicher das Nachhaltigste. Neben den Arbeitsplätzen, die da entstanden sind, haben sich die Gewerbesteuer-Einnahmen der Gemeinde Eppertshausen unter anderem durch dieses Gewerbegebiet während meiner Amtszeit von 0,5 auf 4,8 Millionen Euro erhöht. Dadurch haben wir eine relativ hohe Steuerkraft und können uns relativ viel leisten.
Welche Themen fallen Ihnen noch auf Anhieb ein?
Mit dem Bau der Bürgerhalle haben unsere Vereine eine neue Heimat gefunden. In Sachen Wohngebiete habe ich auf der Bayerswiese noch die Erschließung und die Fertigstellung begleitet sowie den Eichstumpf und den Abteiwald in der kompletten Entwicklung. Dadurch sind wir als Gemeinde in den vergangenen 20 Jahren stetig gewachsen und haben unser Durchschnittsalter verjüngt. Ein bisschen frisches Blut tut Eppertshausen gut, zumal wir nicht zu schnell gewachsen sind und die meisten neuen Bürger gut mitnehmen konnten.
Diesen Freitag ist Ihr letzter Arbeitstag. Wie sieht der Endspurt aus?
Mit den Führungskräften arbeiten wir bis dahin ab, was noch zu erledigen ist. Mein Nachfolger Stephan Brockmann, der die Geschäfte als Erster Beigeordneter bis zur Bürgermeister-Wahl am 25. Mai übergangsweise übernehmen wird, ist inzwischen täglich im Rathaus. Ihm stehe ich natürlich auch nach meinem Abschied mit Rat und Tat zur Seite. An meinem letzten Arbeitstag selbst erfolgt dann noch der närrische Rathaus-Sturm der Kinder.
Wie geht es mit Ihren anderen Ämtern und Tätigkeiten weiter?
In der CDU-Fraktion im Kreistag habe ich mein Mandat in der Februar-Sitzung niedergelegt, da der Landkreis Miteigentümer des ZAW ist und ich da nun involviert bin. In der Verbandsversammlung der Sparkasse Dieburg höre ich Ende März ab. Die Eppertshäuser Stimme pro Fusion mit der Sparkasse Darmstadt gebe ich dort aber noch ab. Als Stellvertretender Präsident des Hessischen Städte- und Gemeindebunds scheide ich Ende März aus. Ob ich Vorsitzender der Verbandsversammlung des Gruppenwasserwerks Hergershausen bleibe, muss ich noch abstimmen. Als ehrenamtlicher Richter am Darmstädter Arbeitsgericht bin ich gerade hingegen für die nächsten fünf Jahre bestellt worden. Und natürlich bleibe ich Feuerwehrmann in der Eppertshäuser Einsatzabteilung!
Zum Schluss: Worauf sind Sie nach 22 Amtsjahren besonders stolz?
Ich bin stolz darauf, dass ich immer für jeden ansprechbar war, ob groß oder klein. Und dass ich im Hintergrund ganz vielen Leuten helfen konnte. Das ist das Geschenk, das man als Bürgermeister kriegt.
(Interview: jedö)