Keine Parteiveranstaltungen mehr in der Kulturhalle Rödermark

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Im Februar veranstaltete die AfD in der Kulturhalle ihren politischen Aschermittwoch mit hoch umstrittenen Rednern. (Foto: PS)

Die Kulturhalle Rödermark ist künftig für Parteiveranstaltungen tabu. Mit den Stimmen von CDU, AL, SPD und Freien Wählern beschloss die Stadtverordnetenversammlung eine entsprechende Änderung der Benutzungs- und Gebührensatzung. Dr. Rüdiger Werner (FDP) stimmte gegen den Beschlussvorschlag, sein Fraktionskollege Tobias Kruger enthielt sich. Die Liberalen argumentieren, dass der Freiheitsgedanke ebenso hoch bzw. höher zu bewerten ist als der Wunsch, extremistischen Parteien in Rödermark kein Forum mehr zu bieten.

Die zweite Gegenstimme kam vom AfD-Stadtverordneten Jochen K. Roos. Der politische Aschermittwoch der Rechtsaußen-Partei mit hoch umstrittenen Rednern wie dem Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich, der in der Kulturhalle „millionenfache Remigration“ forderte und wegen Volksverhetzung angezeigt wurde, war der Auslöser für die neue Regelung. Der Beschluss kam auf Initiative von Bürgermeister Jörg Rotter (CDU) zustande, der erstmals in seiner Amtszeit eine Bürgermeistervorlage eingebracht hatte. Die vielzitierte „gute Stube der Stadt“ sei gebaut worden, um sie den Bürgerinnen und Bürgern zu widmen. „Die Kulturhalle ist ein Stück weit auch das positive Wahrzeichen für unsere Gemeinschaft“, sagte Rotter. Viele Menschen aus der Stadt hätten ihm gegenüber nach der AfD-Veranstaltung zum Ausdruck gebracht, dass sie sehr besorgt sind. Er habe die Pflicht, aktiv zu werden, wenn das Wohl der Stadt gefährdet ist, argumentierte Rotter. Die Bereitstellung der Kulturhalle für parteipolitische Großveranstaltungen, die die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Stadt überschreitet, gehöre nicht zu den Aufgaben nach Paragraf 19 der Hessischen Gemeindeordnung. Hier steht, dass Kommunen öffentliche Einrichtungen grundsätzlich ihren Bürgern, „in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit“, bereitstellen sollen. Diese seien beim Politischen Aschermittwoch der AfD aber überschritten worden. Parteien würde die Stadt zwar auch künftig städtische Räume für Veranstaltungen anbieten, „aber es muss nicht die Kulturhalle sein“, so Rotter.

Magistrat zieht Reißleine

„Man darf nicht warten, bis aus einem Schneeball eine Lawine geworden ist“, zitierte der AL-Fraktionsvorsitzende Stefan Gerl aus einer Rede Erich Kästners. Drohende Diktaturen ließen sich nur bekämpfen, ehe sie die Macht übernommen haben. „Es darf nie wieder vorkommen, dass in der Kulturhalle Hassbotschaften, wie in der Rede am Aschermittwoch, geäußert werden“, meinte Stefan Gerl mit Blick auf die Forderung von Matthias Helferich nach millionenfacher Remigration. „Wer Menschen gegeneinander aufhetzt, wer Hass, Rassismus und Volksverhetzung erzeugt, ist in unserer Heimatstadt niemals willkommen.“
Die SPD-Fraktionsvorsitzende Anke Rüger sah es ähnlich. Bei der AfD-Veranstaltung sei deutlich geworden, was es bedeutet, wenn „sich Hass, Hetze, Menschenverachtung und Diskriminierung versuchen, in unserer Stadt breit zu machen. Wir müssen dem ganz entschieden entgegentreten.“ Es sei daher c. Die AfD habe „Unkultur in die Kulturhalle“ gebracht, daher müssten nun alle Parteien auf die Halle als Veranstaltungsort verzichten. „DIe SPD-Fraktion und die ganze deutsche Sozialdemokratie steht seit 160 Jahren gegen den Fachismus“, so Rüger. „Wehret den Anfängen“, warnte ihr Fraktionskollege Hidir Karademir mit Blick auf die AfD-Veranstaltung.

Die Partei würde zunehmend versuchen, die Demokratie kaputt zu machen. Der Begriff „Remigration“ löse bei ihm, der vor 55 Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommen ist, großes Unbehagen aus, sagte Karademir. Rödermark müsse solche Veranstaltungen nicht ständig aushalten, ergänzte Lars Hagenlocher. „Es ist unser gutes Recht zu sagen, wir wollen das nicht. Und deswegen verzichten wir alle.“ Man sei aber nur wegen des Hasses und der Menschenverachtung, die die AfD verbreite, erst in diese Situation gekommen.
Björn Beicken, der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, ist Lehrer an einem Gymnasium und unterrichtet unter anderem Geschichte und Politik. Im Unterricht kam kürzlich das Thema „Remigration“ auf. Zwei Schülerinnen mit Migrationshintergrund stellten ihm anschließend die Frage: „Herr Beicken, heißt das jetzt, dass wir dann gehen müssen?“ Wenn zwölfjährige Schülerinnen dies ihren Lehrer angstvoll fragen, dann werde klar, wie tief dieses Thema die Menschen beschäftigt. Auf der anderen Seite sei die Versammlungsfreiheit ein sehr hohes Gut. „Es ist wirklich schade, dass man zu solchen Schritten greifen muss“, bedauerte Beicken die Notwendigkeit des Beschlusses.

Mutige Zivilgesellschaft

Die Initiative von Bürgermeister und Magistrat sei nachvollziehbar, sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Tobias Kruger, dessen Vertrauen in den Rechtsstaat und die Zivilgesellschaft groß ist. „Wir haben doch, neben dem, was in der Halle war, vor der Halle die Zivilgesellschaft mutig gesehen“, meinte Kruger angesichts der Demonstration gegen die AfD-Veranstaltung mit rund 1000 Teilnehmern. Die Justiz werde entscheiden, ob die in der Kulturhalle von den AfD-Vertretern getätigten Äußerungen unter die Meinungsfreiheit fallen. Grundsätzlich müsse man auch Meinungen aushalten, die einem zutiefst zuwider sind, solange diese nicht strafbar sind. Die Zivilgesellschaft und die Demokratie seien stark genug. Tobias Kruger, für den die Meinungsfreiheit neben der Versammlungsfreiheit das höchste Gut in der Demokratie ist, enthielt sich der Stimme. Dr. Rüdiger Werner stimmte gegen den Antrag. Natürlich wolle auch die FDP nicht, dass Rödermark zu einem Mekka für Veranstaltungen wird, auf denen rechtsradikale Parolen verbreitet werden. Zustimmen könne man dem Antrag aus urliberalen Gedanken aber nicht. „Kann es richtig sein, mit Verboten die politische Handlungsfreiheit von Mitbürgern einzuschränken, nur weil einem deren Gesinnung nicht passt?“, fragte Werner, nach dessen Meinung Verbote und Ausgrenzung nur noch zu einer stärkeren Polarisierung der Gesellschaft führen. In einer starken Demokratie, so Werner, dürfe auch niemand physisch und psychisch bedroht werden, nur weil er eine Meinung vertritt, die irgendeinem nicht passt. Gerade die Parteien der bürgerlichen Mitte hätten die Verantwortung, der Polarisierung der Gesellschaft entgegenzuwirken. Ein Verbot von politischen Veranstaltungen in der Kulturhalle sei hierbei nicht hilfreich. „Wir als FDP stehen für Meinungsfreiheit, Toleranz und Offenheit. Und dieser in der FDP Rödermark sehr präsente Markenkern hat für mich am Ende einen höheren Stellenwert als die Angst vor möglichen weiteren Veranstaltungen ungeliebter Parteien in der Kulturhalle.“

Jochen K. Roos, der als einziger Vertreter der AfD in der Stadtverordnetenversammlung sitzt, ging zunächst auf die juristische Auseinandersetzung mit dem Magistrat ein. „Man wollte einen demokratischen Mitbewerber vom demokratischen Diskurs ausschließen“, behauptete Roos mit Blick auf die Kündigung des Mietvertrages von Seiten der Stadt aus formalen Gründen, die vom Verwaltungsgericht Darmstadt für rechtswidrig erklärt worden war. Er habe sich als Veranstalter des Politischen Aschermittwochs nichts vorzuwerfen. Stattdessen wären Besucher einer demokratisch legitimierten Partei vor der Halle angepöbelt worden. Seine Partei werde auch im kommenden Jahr einen Politischen. Aschermittwoch in Rödermark veranstalten.

Es gehe bei dem Beschluss nicht darum, bestimmte Wahlkundgebungen zu verbieten, meinte der CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Gensert. Als Stadtverordneter habe man sich aber um die Bürgerinnen und Bürger und die gesellschaftliche Entwicklung zu kümmern. Die Kulturhalle sei das wichtigste städtische Gebäude und die Kommunalpolitik habe die Entscheidung zu treffen, zu welchem Zweck dieses Gebäude dient. Aufgrund der angekündigten Absicht, aus dieser Halle den zentralen Veranstaltungsort einer politischen Partei zu machen, bestehe Handlungsbedarf. „Das ist nicht Sinn und Zweck dieser Halle“, meinte Gensert. „Wir wollen eine örtliche Kulturhalle, die dem örtlichen Kulturleben gewidmet ist.“

(Text: PS)