LaDaDi: Kreiskliniken und MVZs mit einem Minus, das kaum beeinflussbar ist

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(Symbolbild: Ibrahim Boran auf Unsplash)

Die Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg werden in diesem Jahr voraussichtlich rund 84,6 Prozent mehr Verlust machen als ursprünglich angenommen. Kalkuliert war ein Minus von rund 11 Millionen Euro, die Hochrechnung für dieses Jahr geht nun von 20,3 Millionen Euro aus. Und auch die Medizinischen Versorgungszentren werden tiefer in den Roten Zahlen sein als angenommen: Statt den erwarteten 591.000 Euro werden es nun wohl 1,4 Millionen Euro. „Das hat Ursachen, die individuell sind und es hat Ursachen allgemeiner Art“, sagt Betriebsleiterin Pelin Meyer: „Auf die meisten Faktoren, die zu dieser Entwicklung beitragen haben wir aber keinen oder nur geringen Einfluss.“ Landrat Klaus Peter Schellhaas ergänzt: „Wir stehen mit diesen Ergebnissen nicht alleine da.“ Laut Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG) erwarten die Kliniken in Deutschland in diesem Jahr ein kumuliertes Defizit von sechs Milliarden Euro.

Jeden Tag verzeichnen die Kliniken laut DKG ein wachsendes Defizit, weil ihre Kosten weit stärker steigen als die Erlöse, die sie für die Patientenbehandlung von den Krankenkassen erhalten. Anders als die meisten Unternehmen können Krankenhäuser ihre Preise nämlich nicht kurzfristig an die Inflationsentwicklung anpassen. Die Politik hat die jährlichen Preisanpassungen gesetzlich festgelegt und damit stark begrenzt. Der sogenannte Landesbasisfallwert bildet die Grundlage für die Vergütung der Krankenhausleistungen, er bleibt seit Jahren unter den tatsächlichen Kostensteigerungen und ist von der Klinik nicht beeinflussbar. Die vergangenen drei Jahre zeigen das Problem: Der Landesbasisfallwert wurde 2022 um 2,32 Prozent angehoben, im Jahr 2023 um 4,32 Prozent und in diesem Jahr um 5,13 Prozent. Hingegen lag die Teuerungsrate 2022 bei 4,63 Prozent, 2023 bei 10,14 Prozent und in diesem Jahr liegt sie gar bei 14,36 Prozent – und somit klafft eine Lücke zwischen Einnahmesteigerung und Teuerungsrate von mehr als neun Prozent. Die fehlen den Kreiskliniken.

Auf die Steigerung der Personal- und Sachkosten hat die Klinik kaum Einfluss, etwa auf die hohen Preissteigerungen im medizinischen Bedarf. Auch die Tarifsteigerungen – sechs Prozent mehr war das Ergebnis der Verhandlungen mit dem Marburger Bund, der 12,5 Prozent gefordert hatte – und die Kosten für die Instandhaltung des Altbaus, der in Teilen weiter genutzt werden muss, sowie für den Brandschutz schlagen zu Buche.

Nicht beeinflussbar sind die Abschreibungen, die außerplanmäßig beim Gebäude-Altbestand bei 2,5 Millionen Euro liegen und für den Neubau sich um 1,3 Millionen Euro erhöhten. Das alleine macht schon einen großen Teil des erhöhten Defizits aus.

Hinzu kommt, dass die Investitionsförderung des Landes auch unter dem Bedarf bleibt. Da die Einnahmen der Kliniken schon lange nicht mehr, wie beschrieben, die tatsächlichen Kostensteigerungen abbilden, kann auch kein Geld von der Kreisklinik verwendet werden, um fehlende Investitionen auszugleichen. Abschreibungen aus dennoch erforderlichen Investitionen müssen aber vom Träger – dem Landkreis – übernommen werden, oder fließen eben ins Defizit mit ein.

Die fehlenden Umsatzerlöse für Krankenhausleistungen – rund sieben Millionen Euro in diesem Jahr weniger als erwartet – können allerdings vom Haus beeinflusst werden, aber hier kamen beispielsweise drei Ursachen zum Tragen, die Pelin Meyer meint, wenn sie von „individuell“ redet: So konnten an den Kreiskliniken nur 30 Betten oder weniger pro Station wegen Personalproblemen und fehlenden Isolationsmöglichkeiten im Altbau belegt werden. Im Zentrum für Akute und Postakute Intensivmedizin (ZAPI) in Jugenheim konnten teilweise nur 12 der 16 Betten belegt werden, weil das Pflegepersonal fehlte. Zudem blieb das Herzkathederlabor der Kardiologie unter den erwarteten Fallzahlen. „Allerdings merken wir schon nach drei bis vier Monaten im Neubau, dass wir eine Trendwende bei den Belegungszahlen haben“, erklärt Pelin Meyer. Im Clinotel-Verbund liegen die Kreiskliniken mit einem Fallzahlenanwuchs von sechs Prozent an der Spitze.

„Wir sind mit dem Neubau gut aufgestellt für die Zukunft“, sagt Christoph Dahmen. Es wird eine neue Kampagne für die Geburtshilfe geben, deren Geburtszahlen sich in diesem Jahr 400 annähern. Mögliche ambulante Operationen, die derzeit im OP-Saal der Klinik in Groß-Umstadt gemacht werden, sollen in das ambulante OP-Zentrum des Gesundheitszentrums verlegt werden, um Kapazitäten zu schaffen. Das ZAPI ist bereits auf 16 Betten ausgeweitet und auch die Geriatrie ist durch die Isolationsmöglichkeiten im Neubau wieder hochgefahren. Bei einem Workshop im Clinotel-Verbund soll gemeinsam mit anderen Kliniken nach Einsparpotenzialen gesucht werden.

Bei den Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) sind die Probleme ähnlich: Fehlende Umsatzerlöse, etwa durch unbesetzte Arztstellen, und Einnahmensteigerungen, die die steigenden Kosten nicht auffangen. Etwa die Personalkosten, die im ärztlichen Bereich stark ansteigen. Dennoch sieht die Prognose bei allen MVZs positiv aus, wenn man die drei Kriterien zugrunde legt, die für einen langfristigen wirtschaftlichen Betrieb gegeben sein müssen: Versorgungsnotwendigkeit, Wirtschaftlichkeit und die Zahl der Klinikeinweisungen. „Wir können mit den MVZs wieder wirtschaftlich arbeiten“, sagt Landrat Schellhaas. Dort, wo es nicht möglich ist, wurde reagiert: So wird das MVZ Gynäkologie in Groß-Umstadt zum Jahresende geschlossen, das in Höchst bereits 2023. „Baustellen“ seien zudem die hausärztlichen MVZs. „Dort, wo wir eine Versorgungslücke geschlossen haben. Und im östlichen Landkreis sind wir immer noch unterversorgt“, sagt Schellhaas. Wenn die offenen Arztstellen besetzt sind, können die MVZs wieder wirtschaftlich betrieben werden und ihren Zweck, eine Lücke in der ärztlichen Versorgung zu schließen, auch wieder erfüllen, sind sich Schellhaas und Meyer sicher.

An die bereits beschlossene Krankenhausreform haben sie auch Erwartungen: „Sie muss eine Antwort auf die Unterfinanzierung geben“, sagt Meyer. „Die nächste Regierung muss da nacharbeiten“, sagt Schellhaas und ist sich sicher, dass dies auch passieren wird: „In einem bis anderthalb Jahren wissen wir, wohin die Reise geht. Bis dahin rate ich von schnellen Schlüssen ab, auch wegen der Mitarbeiter in den Kliniken. Denn die leisten hervorragende Arbeit und sind gewiss nicht schuld an der derzeitigen Lage.“

(Text: PM Landkreis Darmstadt-Dieburg)