Ende der Erholung: Inklusion auf dem Arbeitsmarkt in Hessen rückläufig

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Aktion Mensch alarmiert: Zu viele Unternehmen stellen zu wenige Menschen mit Behinderung ein. (Foto: Jennifer Rumbach)

Die Erholungsphase nach dem massiven Rückschlag durch die Corona-Pandemie währte nur kurz: Die Arbeitsmarktsituation für Menschen mit Behinderung hat sich in Hessen erneut verschlechtert. Sowohl die Arbeitslosenzahlen als auch die Arbeitslosenquote sind im vergangenen Jahr gestiegen. Besonders drastisch: Immer mehr Unternehmen kommen ihrer gesetzlichen Pflicht, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen, nicht nach. Der Anteil der in Hessen ansässigen Betriebe, die die vorgegebene Fünf-Prozent-Quote vollständig erfüllen, ist auf einen Tiefstwert gesunken. Das diesjährige Inklusionsbarometer Arbeit der Aktion Mensch und des Handelsblatt Research Institutes macht einmal mehr deutlich: Die Inklusion auf dem Arbeitsmarkt macht – auch 15 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention, die das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe verankert – keine Fortschritte.

Arbeitnehmer*innen mit Behinderung: Von Wirtschaftskrise eingeholt

Die negative Prognose ist eingetreten: Der konjunkturelle Abschwung wirkt sich signifikant auf den Arbeitsmarkt aus, nicht zuletzt auch auf die Arbeitsmarktsituation von Menschen mit Behinderung in Hessen. So zog die Arbeitslosenquote hier im vergangenen Jahr an und liegt bei nunmehr knapp neun Prozent. Auch die Anzahl der Arbeitslosen mit Behinderung hat sich erhöht – auf einen Jahresdurchschnitt von 10.979. Verglichen mit 2022 beschreibt dies zwar nur eine Steigerung von etwas mehr als einem Prozent, der Negativtrend setzt sich jedoch im aktuellen Jahr fort: Im Oktober dieses Jahres liegt die Zahl der Arbeitslosen mit Behinderung bei 11.650, im Vergleich zum gleichen Zeitpunkt im Jahr 2023 markiert dies einen Anstieg um nahezu sechs Prozent. „Zwar spüren alle Arbeitnehmer*innen in Deutschland die Folgen der Wirtschaftskrise – für Menschen mit Behinderung gehen sie aber mit einem deutlichen Rückschritt in Sachen Chancengerechtigkeit einher“, warnt Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch.

Einstellungswiderstand verstärkt sich – Beschäftigungsquote sinkt weiter

Unternehmen mit 20 Mitarbeiter*innen und mehr sind gesetzlich dazu aufgefordert, mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze an Menschen mit Behinderung zu vergeben. In Hessen sind das derzeit über 13.000 Unternehmen, Tendenz im Vergleich zu den Vorjahren steigend. Tatsächlich ist die Anzahl an Arbeitsplätzen für Arbeitnehmer*innen mit Behinderung also gestiegen. Die gesamtwirtschaftliche Beschäftigungsquote ist dennoch auf 4,8 Prozent gesunken. Lediglich 42 Prozent der verpflichteten Unternehmen erfüllen die Fünf-Prozent-Quote vollständig – der niedrigste Wert seit Erscheinen des ersten Inklusionsbarometers. Keinerlei Menschen mit Behinderung beschäftigt dagegen noch immer fast jedes vierte Unternehmen. Insbesondere die Privatwirtschaft liegt mit einer Einstellungsquote von 4,3 Prozent unter dem Soll.

Christina Marx hat dafür kein Verständnis: „Eine schlechte Konjunktur greift als Erklärung nicht weit genug – schließlich klagt die Wirtschaft zunehmend über den Fachkräfte- wie auch den Arbeitskräftemangel allgemein. Unternehmen besetzen die Arbeitsplätze aber nicht mit den vielen gut qualifizierten Arbeitnehmer*innen mit Behinderung.“

Politik nimmt Unternehmen stärker in die Pflicht: Höhere Ausgleichsabgabe

Wer trotz Beschäftigungspflicht keine oder zu wenige Menschen mit Behinderung einstellt, muss die sogenannte Ausgleichsabgabe zahlen. Mit dem Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts wurde diese zum 1. Januar 2024 nun deutlich erhöht. „Wir erhoffen uns von der schärferen Sanktionierung, dass sie sich positiv auf die Beschäftigungszahl von Menschen mit Behinderung auswirkt“, kommentiert die Sprecherin der Sozialorganisation. „Ein Nichterfüllen der Beschäftigungspflicht ist kein Kavaliersdelikt – denn es geht um nichts Geringeres als das Recht auf Teilhabe am Arbeitsmarkt. Chancengleichheit muss losgelöst von konjunkturellen Entwicklungen Bestand haben.“

Weitere Informationen unter www.aktion-mensch.de/inklusionsbarometer.

(Text: PM Aktion Mensch e.V.)