An einem Samstagnachmittag im Herbst 2019 hieß es in Münster: Die Spiele sind eröffnet! Damals traf sich erstmals eine Handvoll junger Leute, um sich im Vereinsheim der Wandergesellschaft „Frisch-Auf“ als Gladiatoren zu versuchen. Unter dem Gruppennamen „Ludus Chimairae“ hatte sich dafür eine neue Abteilung gegründet, die sich trotz der Corona-Hürden im frühen Stadium ihrer Existenz verstetigt hat. Fünf Jahre später frönen sieben Männer und Frauen zwischen 14 und 39 Jahren dem seltenen Hobby, das den aktiven Gladiatorenkampf ebenso umfasst wie kreative Elemente.
„Wir widmen uns inzwischen vor allem dem Kampftraining und dem Ausrüstungsbau“, sagt Elena Hechler, die nicht nur Jugendleiterin der Wandergesellschaft ist. Sie gehört der Gruppe vom ersten Tag selbst mit an und hat klassische Archäologie studiert. Mehr noch: Hechler gehörte schon vor dem Start in Münster einer der wenigen Gladiatorengruppen an, die es in Deutschland gibt. Beim Interview fallen sowohl ihr als auch Kämpfer Alexander Reiling hessenweit nur ein, zwei weitere aktive Gruppen ein.
Da ist es durchaus etwas Besonderes, wenn die Münsterer (wie im Rahmen des Vereinsfests zum Volkswandern) eine Kostprobe ihres Könnens geben und sich in Freikämpfen messen. Geleitet wird der Ludus – also die Gruppe – von einer „Lanista“ genannten Person. Bei der hiesigen Gruppe ist das Amadis Gräfen, der wie alle Münsterer Gladiatoren auch einen römischen Kampfnamen trägt: „Auratus“. Hechler nennt sich „Meduna“, Reiling „Ophiofaurus“. „Das ist eine Mischform aus Stier und Schlange und auch auf meinem Schild drauf“, erklärt er. Einen solchen Namen erwirbt man sich mit dem ersten Kampf.
Für den trainieren die Münsterer Gladiatoren regelmäßig und bauen auch ihre Offensiv- und Defensivwaffen selbst. „Hauptsächlich sind das Holzwaffen“, sagt Reiling. Eine häufige Kombination, die ein Kämpfer der Münsterer Gruppe trägt – und die auch die Gladiatoren in der Arena trugen – besteht aus einem Speer für die Angriffe und einem Rundschild für die Verteidigung. Manchmal ergänzt(e) auch eine zweite Offensivwaffe die gewählte Ausrüstung. Anders als früher (manche Schätzungen sagen, dass jeder siebte Kampf für einen Gladiator tödlich endete) ist das ungefährlich: „Verletzungen können passieren, sind aber selten“, weiß Reiling. Mehr als blaue Flecken sind den Münsterern bislang weder im Training noch bei Treffen mit Kämpfern eines anderen Ludus passiert. „Mir macht zum einen das Kämpfen Spaß“, beschreibt „Ophiofaurus“ den Reiz seiner Freizeitbeschäftigung. „Zum anderen ist es das Gruppengefühl und die Sicherheit, nicht ernsthaft verletzt zu werden.“
Vor Jahrhunderten war das ganz anders, auch wenn Hechler darauf hinweist, dass „die Gladiatorenforschung noch nicht so groß“ sei. Was zunächst mit Ritualkämpfen bei römischen Begräbnissen begann, wandelte sich schließlich in eine blutige Volksbelustigung. „Am Anfang gingen nur die wenigsten Gladiatoren freiwillig in die Arena“, blickt derweil Reiling zurück. „Die großen Kämpfer wurden zwar gefeiert wie Stars und konnten es zu etwas bringen, waren aber die Ausnahme.“ Oft wurden Gefangene aufeinander losgelassen, mal mehr und mal weniger gut vorbereitet. „Eine gute Gladiatorenausbildung war sehr teuer.“
In Münster kann man heute hingegen für wenige Euro Monatsbeitrag einsteigen. Den Kontakt kann man per E-Mail an Elena Hechler (jugendleiter@frisch-auf.de) aufnehmen.
(Text: jedö)
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… erschließt sich ihre Welt, indem sie viel Zeit in der Natur verbringt. Bei langen Fahrradtouren und schöne Wanderungen tankt sie Kraft. Lokale Themen sind ihre Welt. Sowohl in den Printprodukten als auch online informiert sie am liebsten über Polizeiberichte, Tiergeschichten und Umweltthemen. Absolute Lieblingsbeschäftigung in der Adventszeit: Plätzchen backen.
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