Auf dem Weg zu einer „normalen Stadt“: SGB-II-Quote erreicht Allzeittief in Offenbach

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Frankfurter Straße in Offenbach am Main, Blick von Osten in die Fußgängerzone. (Foto: Eva K. auf WikimediaCommons)

Weniger Kinderarmut und immer mehr Nichtdeutsche in Arbeit

Die Stadt Offenbach hat ihren 17. Sozialbericht vorgelegt. Wie Sozialdezernent Martin Wilhelm mitteilt, entwickelt sich die wachsende Stadt demnach – trotz aktuell wieder schwieriger Rahmenbedingungen – in Bezug auf wesentliche soziale Kennzahlen weiter positiv. So ist die Anzahl der Leistungsberechtigten im SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende) zwischen 2022 und 2023 erneut zurückgegangen – ein Trend, der sich seit dem Jahr 2015 fortsetzt: „Obwohl immer mehr Menschen in Offenbach leben, sinkt die Anzahl derjenigen, die auf Bürgergeld angewiesen sind, kontinuierlich“, hebt Wilhelm hervor.

Ende des Jahres 2023 gab es 6.548 Bedarfsgemeinschaften mit 13.853 leistungsberechtigten Personen. Dies waren 2,8 Prozent Bedarfsgemeinschaften bzw. 1,6 Prozent Leistungsberechtigte weniger als im Dezember 2022. Die Zahl der nichterwerbsfähigen Leistungsberechtigten in den Bedarfsgemeinschaften (in der Regel Kinder unter 15 Jahren) sank in dieser Zeit um 2,8 Prozent und absolut um 118 auf 4.123 Personen. Im landesweiten Vergleich zeigte Offenbach eine überdurchschnittlich gute Entwicklung vor allem bei den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Regelbedarf (minus 1,7 Prozent). Die SGB-II-Quote, also der Anteil von Bürgergeld-Empfängern an der Gesamtbevölkerung, erreichte im Dezember 2023 mit 11,2 Prozent ein neues Allzeittief. 2013 betrug die Quote noch 18,2 Prozent.

Bevölkerungswachstum trägt zur positiven Entwicklung bei

Ein Teil dieser positiven Entwicklung ist nach Einschätzung der Stadt auch dem Bevölkerungswachstum geschuldet. Ein Großteil der in den vergangenen Jahren nach Offenbach gezogenen Menschen geht einer Beschäftigung nach. „Dieser Trend zeigt, dass die starke Wohnungsbauentwicklung der vergangenen 15 Jahre für Offenbach positive Effekte hatte.“ So stieg die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung am Wohnort Offenbach von September 2022 bis 2023 erneut an – um 2,0 Prozent auf 60.031 Personen und damit mehr als doppelt so stark wie im hessischen Durchschnitt (0,7 Prozent) und stärker als die Bevölkerung Offenbachs in diesem Zeitraum wuchs. Die Beschäftigungsquote lag bei 63,9 Prozent.

Ende des Jahres 2023 wohnten in Offenbach mit Hauptwohnsitz 144.962 Personen gemäß Melderegister. Das waren knapp 0,9 Prozent mehr als im Dezember des Vorjahres. Darunter betrug der Anstieg der Nichtdeutschen – hauptsächlich durch Zuwanderung – 2,7 Prozent und ließ den Anteil der Nichtdeutschen an der Bevölkerung auf 42,4 Prozent steigen.

Im Zuge steigender Erwerbsbevölkerung haben sich auch die Stadtteile positiv einander angeglichen: Anders als noch vor zehn Jahren gab es 2023 nur noch zwei statt sechs Stadtteile, in denen die SGB-II-Quote überdurchschnittlich hoch war. Einen „gesunden“ Durchschnitt erreicht haben inzwischen beispielsweise „Lauterborn“ und das Mathildenviertel. Im Stadtteil „Mühlheimer Straße“ haben sich die Verhältnisse mit dem Neubaugebiet „An den Eichen“ und dem Abriss des Viertels „Im Eschig“ sogar umgekehrt: Einst überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit geprägt, leben dort inzwischen mehr Menschen, die einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehen, als im städtischen Durchschnitt. „Auch das unterscheidet Offenbach von ähnlichen Städten: eine vergleichsweise gute Durchmischung ohne soziale Brennpunkte. Gleichwohl ist diese positive Gesamtentwicklung Offenbachs im Kern der Stadt noch nicht angekommen“, betont Wilhelm und verweist auf zwei Innenstadtbezirke, die immer noch schlechter dastehen.

Sinkender Leistungsbezug bei nichtdeutscher Bevölkerung

Positiv ist ebenfalls die Entwicklung der SGB-II-Quoten der nichtdeutschen Bevölkerung: Während der Ausländeranteil seit 2013 weiter angestiegen ist, sind die SGB-II-Quoten bei nahezu allen Nationalitäten, die mit mehr als 1.000 Personen in Offenbach vertreten sind, seit 2013 teils kräftig zurückgegangen. Die SGB-II-Gesamtquote aller Nichtdeutschen sank von 23 Prozent im Jahr 2013 auf 13,3 Prozent im Jahr 2023. „Auch diese Zahlen sprechen dafür, dass viele Vorteile über Offenbach und über Menschen, die aus dem Ausland zu uns kommen, nicht oder nicht mehr zutreffen. Natürlich braucht Integration viel Zeit, deshalb ist die SGB-II-Quote der Nichtdeutschen nach wie vor höher als bei den Deutschen“, betont Sozialdezernent Wilhelm.

Die Ursachen dafür liegen nach Einschätzung der Fachleute unter anderem an den sprachlichen Hürden, die erst noch genommen werden müssen, und daran, dass Menschen aus dem Ausland auf dem Arbeitsmarkt insgesamt stärker benachteiligt werden. „Hinzu kommt, dass Offenbach nach wie vor eine Arrival City ist: Wenn Menschen nach ihrer Ankunft die Sprache erlernen und irgendwo anders einen Arbeitsplatz finden, verlassen sie dafür Offenbach wieder. Wer noch keinen Arbeitsplatz hat, bleibt erstmal hier. Auch das wirkt sich auf die Offenbacher Statistik aus.“

Sinkende Kinderarmut – bei immer noch zu hohem Niveau

Ebenfalls positiv ist die soziale Entwicklung Offenbachs mit Blick auf die Kinderarmut. Demnach ist sowohl die Anzahl als auch der Anteil von Kindern, die in Bedarfsgemeinschaften leben, weiter zurückgegangen. Lag die Quote 2013 noch bei 33,3 Prozent – damals deutschlandweit trauriger Spitzenwert – sank sie bis Ende 2023 auf 19,3 Prozent (Platz 42 bundesweit). Noch deutlicher ist der Rückgang bei Kindern unter drei Jahren: von Platz 7 mit 32,9 Prozent im Jahr 2013 auf Platz 73 mit nur noch 15,1 Prozent im Jahr 2023. „Diese statistischen Auswertungen untermauern, dass sich Offenbach in sozialen Fragen zunehmend in Richtung einer ,normalen Stadt‘ bewegt. Auch bei der Kinderarmut zeigt Offenbach inzwischen eine deutlich bessere Entwicklung als vergleichbare frühere Industriestädte im Ruhrgebiet, die ähnliche Strukturen wie Offenbach haben“, macht Wilhelm zur Einordnung der Zahlen deutlich, gibt aber zu bedenken: „Insgesamt ist die Kinderarmut in Offenbach jedoch noch immer auf einem deutlich höheren Niveau als in vielen anderen Großstädten und Regionen. Wir sind zwar auf einem guten Weg, aber es ist noch viel Arbeit zu leisten“, so Wilhelm.

Steigende Altersarmut und Arbeitslosigkeit

Sorgen bereiten dem Sozialdezernenten zudem die sukzessiv steigenden Bezugszahlen in der Sozialhilfe, vor allem in der Grundsicherung wegen Alters. „Mit 12,4 Prozent ist jeder achte Offenbacher darauf angewiesen, vom Staat unterstützt zu werden, um in dieser Stadt leben zu können.“ Im Vergleich zum Vorjahr hat auch die Arbeitslosigkeit wieder zugenommen. Ende Dezember 2023 waren 6.934 Personen und damit 8,4 Prozent mehr arbeitslos gemeldet als im Dezember 2022. Die Arbeitslosenquote stieg von 8,3 auf 8,9 Prozent.

Vor diesem Hintergrund erkennt Sozialdezernent Wilhelm große Herausforderungen für die sozialen Sicherungssysteme in Folge der Corona-Pandemie und durch die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die wirtschaftliche Lage: „Viele Menschen sind nach wie vor auf die staatlichen Leistungen angewiesen und hier stellt sich politisch und gesellschaftlich die Frage, wie diese dauerhaft finanziert werden können.“

Der Sozialbericht 2023 enthält Daten und Analysen zur Entwicklung der Leistungsberechtigten in den Rechtskreisen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II), der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie der Sozialhilfe (SGB XII) und des Asylbewerberleistungsgesetzes. Des Weiteren liefert der Bericht Analysen zur Kinderarmut und Daten zur Wohnungs- und Obdachlosigkeit sowie den dafür eingerichteten Hilfen der Kommune.

Der vollständige Bericht ist unter www.offenbach.de/sozialbericht verfügbar.

(Text: PM Stadt Offenbach)