Archäologische Grabungen in Griesheim

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Im Bild (v.l.): Geza Krebs-Wetzl (Bürgermeister Stadt Griesheim), Jens Gottwald (Geschäftsführer Stadtentwicklungsgesellschaft Griesheim), Iwona und Joachim Juraszek (AAB Archäologie), Thomas Becker (Bezirksarchäologe der Außenstelle Darmstadt vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Abt. hessenARCHÄOLOGIE) und Erich Varnhagen (Projektleiter der SEGG). (Foto: Stadt Griesheim)

Funde geben seltene Einblicke in ein Kriegsgefangenenlager des Ersten Weltkrieges

Die Stadtentwicklungsgesellschaft Griesheim (SEGG) hat im Bereich des zukünftigen Quartiers „Griesheimer Anger“ das gesetzlich verpflichtende archäologische Gutachten in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege in Auftrag gegeben, um mögliche kulturhistorische Funde und Befunde für die Nachwelt zu sichern. Die beauftragte Fachfirma AAB Archäologie hat im Frühjahr mehrere Wochen lang auf dem ehemaligen Konversionsgelände Sondierungen vorgenommen und einige archäologische Funde gemacht. Diese wurden fachgerecht gesichert und in einem Gutachten dokumentiert. Am Donnerstag (18. Juli) haben die Verantwortlichen im Beisein von Griesheims Bürgermeister Geza Krebs-Wetzl und dem Geschäftsführer der SEGG, Jens Gottwald, einige der Ausgrabungsfundstücke vor Ort auf dem Gelände präsentiert und Wissenswertes zu den Funden berichtet:

„Das am Südrand der Stadt Griesheim gelegene Bebauungsplangebiet ‚Griesheimer Anger‘ liegt im Bereich eines bereits seit dem 19. Jahrhundert militärisch genutzten Areals. Die Spuren dieser vergangenen Nutzung haben sich bis heute erhalten und gelten nach hessischem Denkmalschutzgesetz als Bodendenkmal. Da mit der geplanten Bebauung der Verlust der Zeugnisse einhergeht, wurden diese nun erfasst und gesichert“, erläuterte Dr. Thomas Becker, Bezirksarchäologe der Außenstelle Darmstadt vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Abteilung hessenARCHÄOLOGIE).

Nutzung des Areals seit 1860er Jahre

Bereits seit den 1860er Jahren nutzte das hessen-darmstädtische Militär das Griesheimer Areal als Übungsgelände für die Artillerie. Während des Ersten Weltkrieges wurde es zum Kriegsgefangenenlager umfunktioniert, in dem vor allem französische Kriegsgefangene – man geht von bis zu 15.000 untergebrachten Soldaten aus – interniert waren. Nach dem Krieg nutzten zunächst französische Truppen den Platz und die Einrichtungen. Nach 1930 übernahm die Wehrmacht die Anlage, der Flughafen wurde im Zweiten Weltkrieg von der Luftwaffe genutzt. Das Areal ging nach Kriegsende in die Nutzung der US-Army über, die hier bis 1992 unter anderem eine Rettungshubschrauber-Staffel betrieb.
Anhand der historischen Pläne und Karten entstand im Bebauungsplanverfahren zunächst ein Gutachten zu den vorherigen Nutzungen des Geländes. Es zeigte, dass im Planungsgebiet vor allem mit Resten von Baracken aus der Nutzungszeit als Kriegsgefangenenlager zu rechnen wäre. Allerdings konnte weder die exakte Lage noch die konkrete Erhaltung nach jahrzehntelanger Folgenutzung ermittelt werden.

Im westlichen Bebauungsplanareal wurde durch die archäologische Fachfirma AAB Archäologie ein fünf Meter breiter Suchschnitt über dem vorgesehenen Bebauungsbereich angelegt. Darin konnten die Fundamente mehrere Baracken erfasst werden. Viele Funde lagen in den ehemaligen Latrinen der Baracken, die offenbar nach Aufgabe des Lagers verfüllt wurden.

„Dabei kamen militärische Ausrüstungsgegenstände kaum zu Tage – lediglich einige Uniformknöpfe und eine Gasmaske deuten auf die Anwesenheit von Soldaten. Es sind vor allem die Gegenstände des täglichen Lebens, die sich in den Latrinen fanden. Von der Zahnbürste über medizinische Verpackungen und Schuhe bis hin zu persönlichen Gegenständen erzählen verschiedenste Funde vom Alltag der Soldaten im Lager. Dazu kam ein großer Bestand an Küchenutensilien, wie zum Beispiel Wasserkannen, die offenbar am Ende des Lagers nicht mehr verwendet werden konnten. Einzelne Funde aus dem Areal stammen auch aus der Vor- oder Nachnutzung des Areals während seiner 150-jährigen Geschichte“, erklärte Dr. Thomas Becker beim Zeigen der Ausgrabungsfunde.

Seltene Einblicke in das Leben der Gefangenen des Krieges von 1914 bis 1918

Insgesamt gab es im Deutschen Reich zu Zeiten des Ersten Weltkrieges 96 Lager für kriegsgefangene Soldaten und 80 für Offiziere, neun dieser Stätten lagen in Hessen. Das Lager in Griesheim stellt eines der wenigen aus dieser Zeit dar, die durch archäologische Methoden näher untersucht werden konnten. Das Ergebnis sind seltene Einblicke in das Leben der Gefangenen des Krieges von 1914 bis 1918.

„Wir freuen uns, dass das archäologische Gutachten und die Ausgrabungsfunde für zukünftige Generationen als wichtige historische Quelle erhalten bleiben und sich im sicheren Besitz des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen befinden. Von der Denkmalschutzbehörde haben wir in diesem Zusammenhang auch die Freigabe erhalten, dass wir ohne weitere Auflagen das Areal ‚Griesheimer Anger‘ bebauen können und die nächsten Planungsschritte für das Vorhaben einleiten können“, so Jens Gottwald, Geschäftsführer der SEGG, und Erich Varnhagen, Projektleiter der SEGG.

Was die weitere Verwendung der Ausgrabungsfunde betrifft, steht das Landesamt für Denkmalpflege Hessen im Austausch mit dem Heimatmuseum Griesheim e.V. Der Museumsverein kann sich durchaus vorstellen, einzelne Stücke als Leihgabe bei einer künftigen thematisch passenden Ausstellung zu zeigen.

(Text: PM Stadt Griesheim)