Zehn Jahre „Open Stage“ der Brüder Grimm Festspiele Hanau

260
Show zu zehn Jahren "Open Stage" zeigt bunte Vielfalt des Teams Bildcredits: Brüder Grimm Festspiele, Hendrik Nix.
Show zu zehn Jahren "Open Stage" zeigt bunte Vielfalt des Teams Bildcredits: Brüder Grimm Festspiele, Hendrik Nix.

Mit einem Zuschauerrekord hat die Veranstaltung „Open Stage“ der Brüder Grimm Festspiele Hanau am Montagabend ihr zehnjähriges Bestehen gefeiert. Im fast vollbesetzten Amphitheater sah das Publikum ein rund dreistündiges buntes Programm verschiedener Akteure aus dem Festspiel-Team. Die Darstellerinnen und Darsteller des Abends, von denen nicht alle von der Bühne bekannt, sondern einige auch hinter den Kulissen tätig sind, wurden dafür frenetisch beklatscht und mit stehenden Ovationen belohnt.

Schauspielerin Claudia Brunnert, die die „Open Stage“ schon seit Jahren moderiert, konnte ihr Glück kaum fassen: Zum zehnten Geburtstag des Formates hatte auch der Chef selbst, Intendant Frank-Lorenz Engel, einen Beitrag im Gepäck. Er überraschte alle Anwesenden am späteren Abend mit einer auf Italienisch vorgetragenen Arie aus Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“ und erfüllte Brunnert damit einen Herzenswunsch. Apropos Herzenswunsch: „Open Stage“ ist nicht nur Show, sondern hat auch einen guten Zweck. Ein Teil der Erlöse dieser Benefizgala kommt stets karitativen Einrichtungen oder Stiftungen zugute, in diesem Fall der Marie-Seebach-Stiftung, die bedürftige Künstler im Alter finanziell unterstützt. Der Hanauer Verein „Lawine e.V.“, der sich um Opfer sexueller Gewalt kümmert, konnte sich ebenfalls freuen: Er erhält den Erlös aus der Versteigerung einer Brüder Grimm-Collage des Hanauer Künstlers Thomas Meinen, die Christopher Krieg launig moderierte. Das Bild kam für 220 Euro unter den Hammer.

Heitere und ruhige Momente

Die Versteigerung war jedoch nur ein kleiner Teil des Programms: Es wechselten sich musikalische Beiträge mit und ohne Gesang mit Sketchen, Klassik und Tanz ab. Es gab viel Heiteres, doch auch zahlreiche ruhige Momente, die das Publikum innehalten ließen. In mehr als 20 Beiträgen zeigten sich die Akteure durchaus auch von ihrer bis dato eher unbekannten Seite – einige Beispiele: Valentin Mirow („Tschick“) outete sich als Gitarrist, Singer und Songwriter „Apoll“ („Die Mädels werden mir hinter der Bühne den Kopf dafür waschen, dass ich mich nach dem griechischen Sonnengott benannt habe“), Dominik Penschek („Tybalt“; „Zauberer von Ochs“) brennt seit langem, so Claudia Brunnert, für die Titelrolle des „Werther“, dessen Monolog er vorsprach. Später griff auch Penschek zur Gitarre und begleitete Adrian Djokic („Der gestiefelte Kater“; „Mercutio“) bei einem sehr nachdenklichen Lied von Gerhard Schöne. Darin geht es vordergründig um Spatzen und Wellensittiche, eigentlich aber um Kleingeistigkeit („Spatzenhirne“) und um Ausgrenzung von Menschen, die nicht ins „Schema F“ passen. Rosa Alice Abruscato („Mina“ in Sterntaler) überraschte als Hip-Hopperin – tatsächlich hat die junge Darstellerin es in dieser Disziplin bereits auf mehrere Siegertreppchen geschafft. Wenige Zuschauer hätten wohl auch geahnt, dass Viola Wanke (Rollen in der „Gänsemagd“) eine sehr gute Violinistin ist. Dies stellte sie in einem Duett mit Dominik Franke (Musikalischer Leiter „Gänsemagd“) am Klavier unter Beweis. Erstmals auf der Bühne statt wie sonst im Orga-Team hinter den Kulissen: Zoe Lange und Kollegen mit dem Lied „Daddy Lessons“ von Beyoncé. Claudia Brunnert moderierte den Neuling liebevoll an: „Sie hat sich erst überreden lassen, als wir ihr versichert haben, dass man in der Dunkelheit das Publikum nicht sieht. Sonst singt sie nur in der Kirche, und da wird nicht geklatscht.“ Das war im Amphitheater anders. „Der kleine Mittwoch“, Darstellerpreisträger 2023 Fabian Baecker, plauderte in Stand-up Comedy-Manier über seine Körpergröße von 1,62 Meter, über Kurzsichtigkeit, Linkshänder sein und Homosexualität („Ich finde, ich habe meinen eigenen Feiertag verdient“). Sehr intensiv: Der Beitrag von Sophie Göbel („Fanny Brillancoeur“; „Lady Capulet“) und Patrick Dollmann, der ohne Text auskam, jedoch durch eine alptraumhafte Szene und zermürbende Geräuschbegleitung unter die Haut ging. Die Akteure arbeiteten dabei mit kompletten Gesichtsmasken, die Sophie Göbel selbst anfertigt.

Neben diesen zahlreichen „Aha“-Momenten sorgten aber auch Beiträge, in denen sich die Darsteller quasi in ihrem ureigensten Metier präsentierten, für Begeisterung bei den Zuschauern: Loriots Eheberatung mit Benedikt Selzner als Therapeutin, Detlev Nyga und dem immer gern in Hanau gesehenen Gast Patrick Dollmann als verklemmtes Ehepaar, Barbara Seeliger („Amme“ in Romeo und Julia, „Ernestine Knoblauch“ in Sterntaler) rezitierte das Gedicht „Eis“, Christopher Krieg präsentierte Versionen eines der 154 Sonette, die aus William Shakespeares Feder stammen (Brunnert: „Sei so nett, lies‘ ein Sonett:“), Moderatorin Brunnert, Detlev Nyga, übrigens mit 25-jährigem Festspieljubiläum, und Dieter Gring nahmen sich Kishons „Es war die Lerche“ vor.

Musikalisch boten die Protagonisten, die ihr Programm immer selbst zusammenstellen und sich, zumeist schon früh für das nächste Jahr anmelden, die komplette Bandbreite. Rosa Abruscato und Alexander Irrgang (zuvor auch als Solistin im „kleinen Schwarzen“ am Mikro) präsentierten sich im Duett, Johanna Haas („Hedwig Knoblauch“; Madame Destina“) und Julian Karow („Fridolin“) ebenfalls. Festspiel-Rückkehrer Marius Schneider („Artur Brillancoeur“ und im „Gestiefelten Kater“) zeigte Stimmkraft auch bei hohen Tönen mit „Grace Kelly“ von Mika, Tim Taucher („Graf Paris“) sang auf Spanisch einen Disney-Song, Johanna Haas und Dominik Penschek brachten als schrilles Schlagerduo „Amore Calzone“ und Running Gag das Publikum zum Lachen. Ebenfalls für Begeisterungsstürme sorgten die „Spice Birds“, eine Kombo sämtlicher gefiederten Vertreter in den verschiedenen Stücken: Erpel Engelhard (Nils Thalmann), Gans Uschi (Franziska Kuropka), Vogel Strauß (Larissa Grosenick), und der Pfau aus dem Gestiefelten Kater (Marius Schneider) sowie Rebhuhn Trudchen (Sara Zimmermann). Sie lieferten ihre ganz eigene Geflügel-Version von „Lady Marmalade“.

Kurz vor dem Ende des Abends wurde der Text präsentiert, der den diesjährigen Schreibwettbewerb „Es war einmal“ für sich entscheiden konnte. Mehr als 100 Einsendungen waren dafür eingegangen. Der ehemalige Intendant der Festspiele, Dieter Gring, der den Zuschauerwettbewerb 2003 ins Leben rief, sagte, er habe einfach wissen wollen, wie das Publikum heute die Märchen noch sehe und in ihr Leben einbeziehe. Aktueller hätte auch der Siegerbeitrag kaum sein können: beim Märchen der Siegerin, Jenna Grübner, drehte sich alles um eine Prinzessin, die nach dem Willen ihrer Mutter heiraten soll, sich auf dem „Brautschau“-Ball aber in eine Fee verliebt und diese nach längerem Widerstand der Monarchin auch ehelichen darf.

Zum Abschluss gab es nochmal die ganz großen Emotionen: Claudia Brunnert hatte auf das schottische Lied „Auld lang syne“ einen Jubiläumssong für die Festspiele getextet. „Es ist ein Lied über das, was uns schon so lange zusammenhält“, sagte die Moderatorin sichtlich ergriffen über den Inhalt. Den Refrain („Ein Zauber durch den Schlosspark zieht“) sangen denn auch alle Zuschauer voller Inbrunst mit und verhalfen dem stimmungsvollen und bunten Abend so zu einem gebührenden Abschluss.

(Text: PM Ballcom)