Mit dem Kulturpreis der Stadt Rodgau werden Menschen geehrt, die durch ihr Wirken nicht nur die Kultur der Stadt geprägt haben, sondern oft auch weit über das Stadtgebiet hinaus für ihre Leistungen bekannt und aktiv sind.
Bei Piotr Konczewski und Uli Kratz liegt es etwas anders. Da war der Preis eher eine Anerkennung für ihre Leistung in der Vergangenheit, denn beide sind im Gewissen Sinne die Väter der Freien Musikschule Rodgau, die in diesem Jahr ihr 40-jähriges Jubiläum feiern kann. Ihnen ist es zu verdanken, das Rodgau über eine Musikschule verfügt, die für alle Altersstufen die Möglichkeit zur musikalischen Ausbildung bietet. Und so wurden sie nicht dafür geehrt, dass sie ausgezeichnet ihr Instrument beherrschen, was sie bei der Feier zur Verleihung des Kulturpreises im Bürgerhaus Nieder-Roden mehrmals bewiesen, sondern man könnte sagen, für ihr Lebenswerk. Klaus Schrön drehte bei seiner humorvollen Laudatio für Uli Kratz die Zeit etwas zurück. „Neben dem Studium auf Lehramt für Haupt- und Realschule mit den Fächern Musik und Sozialkunde nahm Uli Kratz Unterricht in klassischer Gitarre und spielte (teilweise parallel) bei verschiedenen Bands“, so Schrön.
Seine erste Begegnung mit Uli Kratz sei 1986 gewesen, der ihm da schon von der Freien Musikschule Rodgau erzählte. Es war sein Herzensprojekt, an dessen Aufbau er maßgeblichen Anteil hatte. Später erlebte er ihn als Schulleiter und danach als Vorstand. Das Engagement von Uli Kratz sei immer weit über das „normale“ Maß hinaus gegangen, was der Schule eine ständige Weiterentwicklung brachte. Er habe sich für die Kooperation mit der Stadt und die Vernetzung mit Kultur- und Kultusträgern engagiert und dich dafür eingesetzt, dass wir uns ein Leitbild geben. Er habe den Mitarbeitern Fortbildungen ermöglicht, immer wieder äußerst fähige Menschen zu einer ehrenamtlichen Mitarbeit im Vorstand motivieren können, Klausurtagungen mit Fachbereichs- und Schulleitung unter Einbeziehung unserer: Verwaltung – organisiert und moderiert – und das alles selbstverständlich auch ehrenamtlich. Bereits im Jahr 1985 habe Uli Kratz die damals jüngste Kinderrockband Deutschlands „Sound-Everest“ aus der Taufe gehoben und sie bei über 100 Auftritten im ganzen Land, TV- und Demo-Produktionen betreut. Ein weiterer Schritt nach vorne war die Einrichtung des Fachbereichs für Popularmusik, aus dem heraus sich unglaubliche Talente entwickeln konnten. „Keine Zeit – Kein Geld – Geht nicht“, hätte nicht in das Weltbild von Uli Kratz gepasst.
Aber die Musikschule war nicht alles. Als Leiter des Jugendhauses Heideplatz, Pädagogischer Leiter beim evangelischen Verein für Sozialarbeit, Leiter des Jugendhauses Sossenheim habe er die Jugendarbeit gefördert und entwickelt, die bis heute fortwirke und 2004 wurde ihm für die Organisation der Parade der Kulturen den Integrationspreis der Stadt Frankfurt verliehen. „Kulturarbeit bedeutet für dich auch immer die Überwindung von Grenzen und das Ermöglichen von Teilhabe“, betonte Schrön. So habe er trinationale Begegnungen zur Jugendarbeit mit Alicante (Spanien), Paris (Frankreich) und Rodgau (Deutschland) organisiert und etliche Bildungsreisen für bildende Künstler*innen, Musiker*innen und Tänzer*innen nach Cuba ermöglicht. Die Person Uli Kratz könne er mit den Buchstaben des Wortes Kultur beschreiben: „ K wie Kooperation und Kommunikation, U wie Umtriebigkeit und Unbeirrbarkeit, L wie Lebendigkeit und Leichtigkeit, T wie Teamgedanke und Toller Typ und das zweite U wie Universalität“.
Katharina Weltzien-Falk, Fachbereichsleitung Klassik/Gesang der Freien Musikschule, widmete sich in ihrer Laudatio dem langjährigen Musikschulleiter Piotr Konczewski und Überschrieb die Rede mit „Von einem, der auszog, das Glück zu suchen“. Geboren wurde er in in der Universitätsstadt Torun in Polen in einer musikalisch-literarisch hochgebildete Familie. Mit Musik sei er groß geworden, denn sein Vater, ein Journalist, war begeisterter Musikliebhaber und lud regelmäßig große Weltstars zu Kammerkonzerten ein und seine Mutter war Pianistin und Klavierlehrerin und so habe er jeden Tag seine Hausaufgaben neben ihrem Unterrichtsraum gemacht. Ab dem sechsten Lebensjahr lernte er Geige spielen und ab dem 12. Lebensjahr Schlagzeug als Hauptfach sowie Klavier als Nebenfach. Etwas anderes als Musik kam anscheinend nicht in Frage für ihn. 1975 bis 1979 studierte er an der Musikhochschule Warschau mit Auszeichnung. Schon früh hatte er hochkarätige Sinfonie- und Opernorchester-Engagements unter Dirigenten wie Pierre Boulez und Jerzy Maksimiuk, aber gleichzeitig machte er erste musikalische Erfahrungen mit dem Jazz und gewann den ersten Preis beim Jazzfestival Warschau. Der Weg als erfolgreicher Orchestermusiker in Warschau schien eigentlich vorgezeichnet, doch er hat sich dem Jazz zugewandt und dann auch der westlichen Welt mit all ihren Freiheiten und Möglichkeiten. 1980 kamst er zum ersten Mal in die Bundesrepublik Deutschland, um bis 1984 mit Zeit- und Jahresverträgen für verschiedene Kurorchester zu spielen. 1985 siedelte er fest in die „Weltmetropole“ Dudenhofen über und gründe, neben deiner Familie mit Inge, eine Karriere als Schlagzeuger in Westdeutschland. Er hat alle vorhandenen Möglichkeiten ausgeschöpft, ein Netzwerk aufgebaut, überall und alles gespielt und unterrichtet. Er war unermüdlich unterwegs und spielte in ganz Deutschland Galas und Tourneen mit Stars wie Mary Roos oder Wencke Myhre, war Mitglied im Siggi Gerhard Swingtett, spielte in Bigbands in Darmstadt, Seligenstadt und Aschaffenburg, war Mitbegründer von Salsa Verde, dem Jazzquartett Grappolli und hatte Engagements beim Rundfunkorchester des Hessischen Rundfunks und bei der Bigband ebendort. Auch als Leiter von Blasorchestern habe er von Beginn an Erfolg, aktuell mit dem Musikverein Münster und mit der Stadtkapelle Heusenstamm. Seit mehr als 10 Jahren sei er außerdem festes Mitglied des Ensembles der Mainzer Prinzengarde. Und dann sei da noch die tiefe Verbindung zu seinen Söhnen Max und David. „Nicht immer ganz freiwillig haben sie die von dir verordnete 10-jährige musikalische Grundausbildung an Klavier und Gitarre mitgemacht. Aber diese hat schönste Früchte getragen und die beiden haben gemeinsam mit ihrer damaligen Band Marie Wonder den Kulturförderpreis der Stadt Rodgau erhalten“, erläuterte die Laudatorin. Neben seinen Tätigkeiten als Musiker wurdest er ein beliebter und sehr erfolgreicher Schlagzeuglehrer: 1986 gewann erstmals ein Schüler-Percussion-Ensemble – mit Steffen Reichenbach – den ersten Preis beim Bundeswettbewerb Jugend Musiziert. Viele weitere seiner Schüler habe es im Laufe der Zeit dorthin geschafft. Im internationalen Olymp der klassischen Orchestermusik ist sein ehemaliger Schüler Lukas Schrod angekommen, Sohn seines langjährigen Freundes Dietmar Schrod. Seit 1986 war er im Kollegium der Freien Musikschule Rodgau beschäftigt, erst als freier Mitarbeiter, neben Tätigkeiten an der Musikschule Obertshausen und an der städtischen Musikschule Aschaffenburg und dann 1997 kam der große Schritt: Schulleiter der Freien Musikschule Rodgau. So habe er sich von Beginn an wohlgefühlt in der energiegeladenen „Bubble“ des Musikerzusammenschlusses vor deiner Haustüre.
Die Voraussetzungen für eine Musikschule die Verantwortung zu übernehmen, waren bestens, so Katharina Welzien-Falk: “ Du kennst dich in jedem musikalischen Bereich aus, bist mit allen musikalischen Wassern gewaschen und weißt untrüglich, was gute Musik ist. Du hast als sensibler Mensch und Musiker ein genuines Interesse an den Menschen und einen außerordentlich guten Blick für sie. Du hast dich als Schulleiter nie als Kontrolleur gesehen, sondern hast deinen Leuten viel zugetraut. Das Kollegium fördern und die Leute mit ihren Fähigkeiten machen zu lassen war eine deiner Maximen“. In der Musikschule habe es von Beginn an ein Team gegeben, das zusammen gearbeitet und immer an einem Strang gezogen hat. Das war mit dem Vorstandsvorsitzenden Helmut Wildhirt so und auch mit seinem Nachfolger Uli Kratz. Seine Arbeit in der Musikschule war höchst anspruchsvoll und vielfältig und beinhaltete das Große und das Kleine wie selbstverständlich nebeneinander. Er war sich für nichts zu schade. Von der Repräsentation der Musikschule bei der Stadt bis zu den jährlichen Haushaltsplanungen, von der musikalischen Leitung der Operngala 2023 anlässlich deines Abschiedes über die Anwesenheit bei fast allen Veranstaltungen bis hin zu deiner hingebungsvollen Tätigkeit als allzeit verfügbarer Hausmeister. Uli Kratz war der Visionär und hat den Ort geplant für professionelle Musikausbildung in allen Genres für alle Kinder und alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt.
Piotr Konczewski war für mich der Realist, der Pragmatiker und der Durchführende. Er hat im Tagesgeschäft gesehen, auf was es ankommt und was machbar ist. Außerdem hat sein Herz immer für die klassische Musik geschlagen, und darauf geachtet, dass diese nicht zu kurz kommt. Die Anerkennung der Musikschule als Bildungspartner der Stadt Rodgau, der Kooperationsvertrag mit der Stadt und auch die fruchtbare Zusammenarbeit mit den Musikvereinen auf allen Ebenen im gegenseitigen großen Respekt über die lange Zeit von nunmehr 40 Jahren, wäre ohne beide nicht denkbar. Ein Arbeitsklima, das so viele Musikerinnen und Musiker freundschaftlich und über lange Jahre ans Kollegium binde, suche seinesgleichen und sei der lebendige Beweis, dass Wohlwollen und Vertrauen das kreative und erfolgreiche Arbeiten fördere und zur vollen Blüte bringt. Das diesjährige Jubiläumsmotto der Musikschule, „Musik verbindet“, scheine immer schon sein Lebensmotto gewesen zu sein. Vor und nach der Preisverleihung durch Bürgermeister Max Breitenbach und Kulturdezernent Winno Sahm, bewiesen beide, dass sie auch, zusammen mit befreundeten Musikern, darunter auch die Söhne von Piotr Konczewski, Max und David, das sie auch ihr Musikinstrument gekonnt beherrschen.
(Text: ah)
- Redaktion
- Kontakt
… erschließt sich ihre Welt, indem sie viel Zeit in der Natur verbringt. Bei langen Fahrradtouren und schöne Wanderungen tankt sie Kraft. Lokale Themen sind ihre Welt. Sowohl in den Printprodukten als auch online informiert sie am liebsten über Polizeiberichte, Tiergeschichten und Umweltthemen. Absolute Lieblingsbeschäftigung in der Adventszeit: Plätzchen backen.
Mag: Tiere | Backen | Lokale Geschichten