AGV Volkschor Dudenhofen: Ein klingender „Leuchtturm“

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Bei der „Serenade am Backes“ treten die Sängerinnen und Sänger des AGV Volkschor Dudenhofen auch in diesem Jahr wieder auf. (Foto: Verein)

Seit 99 Jahren bereichert der AGV Volkschor das kulturelle Leben in Rodgau-Dudenhofen. Nena hätte sicherlich ihre Freude daran. Bei der „Serenade am Backes“ treten die Sängerinnen und Sänger auch in diesem Jahr wieder auf.

Ehe ein mehrstimmiges Lied perfekt „sitzt“, bedarf es einiger Proben. „Ein Sicherheitsdurchgang bitte“, sagt Amelie Theil; „wir starten mit Takt 36.“ Zwei Dutzend Sängerinnen und Sänger schauen zur Dirigentin, die ein paar Töne am Klavier anstimmt, ehe sie das Zeichen zum Einsatz gibt. „Ich geh mit dir, wohin du willst, auch bis ans Ende dieser Welt“, schallt es durch den Raum. Die Pop-Interpretin Nena, die das Lied „Leuchtturm“ einst zum Hit machte, hätte ihre Freude, könnte sie sehen und hören, mit welcher Begeisterung die Mitglieder des AGV Volkschor Dudenhofen die Melodie mit ihren rhythmischen Besonderheiten im Übungsraum des Bürgerhauses Rodgau-Dudenhofen erklingen lassen.

Theil ist nicht ganz zufrieden und will die Stelle noch einmal getrennt mit den einzelnen Stimmen üben. Die 33 Jahre alte Musikerin, die die musikalische Leitung des Chors vor drei Jahren übernahm, unterstützt die Sängerinnen und Sänger am Klavier. Erst kommen Sopran und Alt an die Reihe, anschließend Tenor und Bass. Dann wird alles erneut zusammengefügt. „Ich gehe wieder mit den Männern mit, und gemeinsam bekommen wir es hin“, lässt Theil wissen. Dann singt der Chor: „Am Meer, am Strand, wo Sonne scheint, will ich mit dir alleine sein.“ Der „Leuchtturm“ beginnt zu strahlen.

Bei der „Serenade am Backes“ aktiv

Bei der „Serenade am Backes“ will der AGV Volkschor das Lied vortragen. Seit vielen Jahren lädt der Förderkreis für kulturelle Projekte Dudenhofen zu der Veranstaltung auf den kleinen Platz zwischen der evangelischen Kirche und dem kleinen Backhaus im Ortskern von Dudenhofen ein – in diesem Jahr am Donnerstag, 4. Juli. Gemeinsam mit weiteren Ensembles aus Dudenhofen und Umgebung wird der AGV Volkschor auch diesmal das Musikprogramm gestalten, das jedes Jahr zahlreiche Zuhörer anzieht. Theil, die von Beruf Lehrerin ist und die Fächer Deutsch und Englisch am Langener Gymnasium unterrichtet, ließ sich vor einigen Jahren zur Chorleiterin ausbilden. Die Arbeit mit den zum Teil wesentlich älteren Sängerinnen und Sängern des AGV Volkschor macht ihr großen Spaß. „Singen hält jung“, sagt Theil. Sängerinnen und Sänger würden älter als die meisten anderen Menschen. Singen halte geistig beweglich; man halte die sozialen Kontakte aufrecht und gebe den Aktiven jede Woche ein Ziel, „auf das man hinarbeiten kann“.

Der AGV Volkschor hat eine lange Tradition. 1925 ging er aus der Sängerriege des damaligen Dudenhöfer Turnvereins hervor. 2025 ist also das hundertjährige Bestehen zu feiern. Die Abkürzung AGV steht für „Arbeiter-Gesangverein“. In den Anfängen hätten sich viele sangesfreudige Sozialdemokraten dem Chor angeschlossen, sagt Gerald Klein, der seit vielen Jahrzehnten dem Vorstand angehört und 1999 den Vorsitz übernahm. Auch Kleins Großvater gehörte zu den Mitbegründern des Volkschors, der zunächst ein reiner Männerchor war. Nur wenige Dokumente haben sich aus dieser Zeit erhalten. Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, wurde der AGV aufgelöst, das Vermögen beschlagnahmt und das Klavier verkauft. Erst 1945, nach dem Ende des Dritten Reiches, konnte ein Neubeginn erfolgen. Ein Jahr später wurden auch Frauen aufgenommen; der AGV Volkschor etablierte sich als gemischtes Ensemble. Das war auch der damaligen Situation geschuldet: Viele Sänger hatten als Soldat in den Krieg ziehen müssen; nicht alle kamen zurück. Einige Aktive hatten sich inzwischen anderen Vereinen angeschlossen. Gemeinsam bildeten Sängerinnen und Sänger einen beeindruckenden Klangkörper.

Zahl der Dirigenten in fast hundert Jahren überschaubar

In der fast hundertjährigen Geschichte blieb die Zahl der Dirigenten überschaubar. Heinrich Küchler, der den Chor vor dem Krieg leitete, befand sich beim Neubeginn noch in Gefangenschaft. An seine Stelle trat Christian Siegler, der den AGV Volkschor dirigierte, bis Küchler Ende der vierziger Jahre wieder die Leitung übernahm. Sein Nachfolger wurde 1969 Walter Scholz, ein ausgebildeter Kirchenmusiker, der mit dem Chor nicht nur weltliche Lieder einstudierte, sondern neben Stücken aus Oper, Operette und Musical auch Wert auf geistliche Musikliteratur legte. Scholz „hat uns gefordert“, erinnert sich Klein, der seit 53 Jahren mitsingt. Heike Frey, die Zweite Vorsitzende, ist noch länger, seit 55 Jahren, dabei. Vor Konzerten habe Scholz häufig Sonderproben anberaumt, erinnert sich Klein. 1999 hörte Scholz auf. Fritz Klein, der Vater von Gerald Klein, trat die Nachfolge an; von 2013 bis 2020 übernahm Rochus Paul die Leitung. In der Corona-Zeit ging für Chöre und sonstige Kulturschaffende plötzlich nichts mehr. Man sei damals nicht sicher gewesen, ob man überhaupt noch weitermachen könne, so Klein. In der pandemiebedingten Zwangspause trennte sich der Chor von Paul. Erst 2021 war ein weiterer Neubeginn mit der neuen Dirigentin Amelie Theil möglich. Dass man sich wieder treffen und gemeinsam singen konnte, „war wie eine Erlösung“, sagt Frey.

Die musikalischen Verlieben der musikalischen Leiter machten sich im Repertoire bemerkbar: Scholz habe anspruchsvolle Stücke wie Händels „Halleluja“, aber auch Werke von Smetana, Mozart und Schumann einstudiert. Manche Lieder aus dem 16. Jahrhundert seien „schwer über die Lippen gegangen“, erinnert sich Frey. Fritz Klein habe mehr Musicals und Volkslieder gepflegt; der Chor habe damals viel mit dem Männerquartett Großauheim und der Gesangsabteilung des KSV Urberach kooperiert. Bei Rochus Paul habe man „viele alte und neue Sachen“ bis hin zu Musik von Herbert Grönemeyer und Schlager wie „Liebeskummer lohnt sich nicht“ gesungen. Unter Theil wurden Stücke, die der Chor schon kannte, aufgefrischt, aber auch Lieder der Comedian Harmonists neu einstudiert. Die Songs „Junimond“ von Rio Reiser und „Leuchtturm“ von Nena kamen hinzu.

Kinderchor Dudenhofen: Im November soll das „Dschungelbuch“ aufgeführt werden

Gemeinsam mit dem Männerchor Dudenhofen trägt der AGV Volkschor den Dudenhöfer Kinderchor, der unter der Leitung von Ilka Tousheh im vergangenen Jahr das Musical „Peter Pan“ aufführte. Heike Frey vom AGV Volkschor und Werner Seib vom Männerchor betreuen das rund 30 Kinder umfassende Ensemble; auch Klein unterstützt die Aktivitäten. Bei verschiedenen Anlässen traten die Kinder schon auf. Im November soll das „Dschungelbuch“ aufgeführt werden.

Früher hatte der AGV Volkschor um die 15 Auftritte im Jahr; inzwischen sind es nur noch etwa fünf, darunter die „Serenade am Backes“. Wirkten früher einmal 85 Sängerinnen und Sänger beim AGV Volkschor mit, so zählt der Verein heute noch etwa 30 Aktive. Viele sind inzwischen über 80 Jahre alt, halten dem Verein aber weiterhin die Treue und besuchen regelmäßig die Proben. Wie anderen Vereinen auch fehlt dem AGV Volkschor der Nachwuchs. Nach Kleins Worten ist ein Trend festzustellen: Viele Menschen seien bereit, für einige Monate in einem Projektchor mitzusingen, wollten dann aber etwas Neues machen und sich nicht auf Dauer an einen Verein binden. Viele Menschen zögen heute außerdem mehrmals um und hätten zudem unzählige Möglichkeiten, ihre Freizeit zu gestalten.

Verstärkung ist beim AGV Volkschor also willkommen. Geprobt wird jeweils donnerstags um 19.30 Uhr im Bürgerhaus Dudenhofen. Informationen gibt es im Internet unter www.agv-volkschor.de.

(Text: PM AGV Volkschor Dudenhofen)