Erste Munatur-Führung in Münster: „Es waren nukleare Waffen hier“

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Verantwortete für die US-Armee den Abtransport der Waffen von der Muna und führte am Ostersamstag erstmals Besucher durch die Ausstellung „Munatur“: Kevin Dunn, der seit 1997 in Dieburg lebt. (Foto: jedö)

Heute darf Kevin Dunn über alles reden – fast: Zu seinem Einsatz als Sicherheitsberater der US-Armee in Großbritannien hält der 68-jährige Dieburger weiter Stillschweigen. Das brach er auch am Samstagmittag auf dem Muna-Gelände nicht: Bei der ersten seiner (wie die folgenden ausgebuchten) Führungen durch die jüngst in einem früheren Bunker eröffneten Ausstellung „Munatur“ erwähnte er diese Station zwar neben weiteren im Mittleren Osten und an der Elfenbeinküste, ging aber nicht näher darauf ein.

Was ihn mit der ehemaligen Munitionsanstalt – von 1939 bis 1945 von den Nazis als Weltkriegs-Lager für die Luftwaffe und anschließend im Kalten Krieg bis 1995 von den Amerikanern genutzt – persönlich verbindet, führte er wie die gesamte Geschichte des bewaldeten Areals zwischen Messel, Eppertshausen, Münster und Dieburg hingegen aus. Wofür es kaum einen Besseren hätte geben können als ihn: Der ehemalige Oberleutnant und Kompanie-Hauptmann diente nicht nur zwischen 1977 und 1985 auf dem heutigen Biotop für Wildpferde und Wisente, sondern verantwortete zwischen November 1991 und Juni 1992 zudem den Abtransport der Waffen. Und ja: darunter auch atomare.

„Es waren nukleare Waffen hier“, sagte Dunn eingangs des ersten Rundgangs mit 20 angemeldeten Teilnehmern. Dies sei konkret „zwischen 1958 und 1991“ der Fall gewesen. Im Wald nahe Münster – den heutigen Ortsteil Breitefeld entwickelte die Gemeinde erst ab 1997, zwei Jahre nach dem Abzug der letzten Soldaten – habe man im Rahmen der Nato nukleare Artilleriegeschosse gelagert und gewartet. Überdies war in der Muna das amerikanische Flugabwehr-Raketensystem „Patriot“ untergebracht. Unfälle, die es beim Abtransport auf der Munastraße gab – Dunn berichtete am Samstag von vier Stück, weil die Fahrer „die Kurve unterschätzt“ hätten -, seien durchweg mit dieser Verteidigungswaffe an Bord geschehen.

Die Waffen kamen später nach Hahn im Hunsrück und teils nach Ramstein, schließlich in die Staaten. „Ich kann darüber reden, denn sie sind heute alle zerstört“, so Dunn. Seine Spezialaufgabe war im Sommer 1992 gemeistert. Die zweite Hälfte seines Berufslebens verbrachte er von 1997 bis 2020 bei der Bundeswehr. Dort gab er Sprachkurse am Bundessprachenamt in Hürth bei Köln und taktische Lehrgänge. Zugleich baute er 1997 ein Haus in Dieburg; seine Frau Ruth hatte er bereits lange vorher kennengelernt, „beim Fasching in der Ludwigshalle“.

Längst ist Kevin Dunn im großen Wohngebiet im Westen der Gersprenzstadt heimisch geworden, seit vier Jahren im Ruhestand. Der Veteran, der aus dem New Yorker Stadtteil Queens stammt, sieht auch seine Zukunft in der Bundesrepublik, auch wenn seine 91-jährige Mutter noch in South Carolina lebt: „Ich bin eingedeutscht. Wir leben hier in einem tollen Land!“ Dem gibt er auch jetzt noch einiges zurück, wirkte an der „Munatur“-Ausstellung beispielsweise als Übersetzer mit. Mit seinen Führungen lässt er Lokal- und Weltgeschichte gleichermaßen lebendig werden, ordnet hiesige Ereignisse wie die regelmäßigen Besuche der von der einheimischen Bevölkerung mitunter skeptisch beäugten US-Soldaten im „Alt Münster“ ebenso ein wie das militärische Ganze im Kräftemessen der Mächte.

Auch Antworten auf detaillierte Fragen, wie sie schon die Teilnehmer seiner ersten Führung hatten, scheute Kevin Dunn am Wochenende nicht. So erläuterte er beispielsweise, wie die Munition der Wehrmacht bei der Sprengung am 25. März 1945 so tief ins Erdreich eindringen und sogar in später emporschießende Bäume einwachsen konnte, dass das Holzfällen im Gebiet bis heute eine lebensgefährliche Sache wäre. Und dauerhaft bleiben wird: „Die Munition liegt teils so tief in der Erde, dass die komplette Entmunitionierung der Muna eigentlich unmöglich ist.“ Was gut für die ungestört bleibenden Tiere und Pflanzen auf dem mehr als 300 Hektar großen Areal sei, wie der Veteran hinzufügte.

(Text: jedö)