2023 ist das Demokratiejahr: Vor 175 Jahren trat die Nationalversammlung erstmals in der Frankfurter Paulskirche zusammen. Die Abgeordneten kamen größtenteils aus dem Besitz- und Bildungsbürgertum. Ausschließlich Männer. Doch welchen Einfluss hatten Frauen auf diese Demokratiegeschichte?
Vom 28. April bis zum 26. Juni würdigen Frauendezernat und Frauenreferat 48 Revolutionär:innen und Streiterinnen für Demokratie und politische Teilhabe mit einer Ausstellung im Kaisersaal des Römers.
„Frau sein heißt, für Rechte zu kämpfen. Das gilt seit den Anfängen der Frauenbewegung unverändert bis heute. Die Geschichten dieser revolutionären Frauen sind nahezu unbekannt. Sie stammen aus unterschiedlichen sozialen Milieus, waren Arbeiterinnen, bürgerliche Mäzeninnen, Autorinnen oder Kulturschaffende. Ihre Herkunft, ihre Beweggründe, ihre Forderungen, ihre Form des Protests – all das mag verschieden sein. So verschieden, wie auch wir es sind. Aber was sie und uns eint, ist der Kampf um Anerkennung dieser Verschiedenheit“, erläutert Frauendezernentin Rosemarie Heilig.
Schon 2018, anlässlich des Jubiläums zu 100 Jahren Frauenwahlrecht in Deutschland, verschwanden die Könige und Kaiser im Festsaal des Römers hinter überlebensgroßen Porträts von Protagonistinnen der ersten Frauenbewegung. Nun treten die gekrönten Herren erneut in die zweite Reihe zurück: verdeckt durch lange Stoffbahnen mit Portraits oder Zitaten der Revolutionär:innen.
Die Auswahl gibt Einblicke in die weltweiten Kämpfe für Freiheit und Selbstbestimmung. Damit wird deutlich, dass das Bestreben für Gerechtigkeit ein globales und gleichzeitiges Aufbegehren vieler Frauen war. Die portraitierten Frauen lebten u.a. in Deutschland, Polen, Rumänien, Österreich, Frankreich, Italien und in den USA. Sie wollten sich aus den engen Grenzen der ihnen vorgegebenen Rollen befreien und kämpften für ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben, für eine bessere Schul- und Berufsausbildung für Mädchen und junge Frauen, für die Möglichkeit, einen selbstgewählten Beruf auszuüben, für ein Leben in Freiheit.
Unter Ihnen sieben Frankfurterinnen: Marie d’Agoult alias Daniel Stern, Eva Christine Margarete Bunsen, Clotilde Alexandra Koch-Gontard, Anna Schepeler-Lette, Annette Margaretha Stoltze, Jeanette Strauss-Wohl und Henriette Zobel sowie der Frankfurter Turnverein. Ein Verein, der allein durch seine Satzung ein revolutionäres Potenzial offenbart: „DIE ZEIT DER RACHE IST GEKOMMEN! WIR ERGREIFEN MUTHIG DIE WAFFEN GEGEN DIE ERZFEINDE UNSRES GESCHLECHTS“.
Kontinuität von Themen bis heute
Die Ausstellung rückt die weitgehend unbekannten Streiterinnen ins öffentliche Bewusstsein und zeigt, dass viele Frauen sich politisch einmischten und aktiv demokratische Haltungen vertraten. Es wird deutlich, was Frauen alles gemeinsam erreichen konnten und können. Aber auch, wie lang der Weg zur wirklichen Geschlechtergerechtigkeit immer noch ist.
„Die Kontinuität der Themen von damals ist bis heute erkennbar, und auch, wie wesentlich diese frühen Kämpferinnen für die späteren feministischen Bewegungen waren. Die Ausstellung stellt aber auch klar, dass damals wie heute Demokratie und emanzipatorische Bewegungen immer von vielen getragen werden. Hinter jedem individuellen Portrait steht auch eine kollektive Leistung. Wir wollen die Besuchenden ermutigen, sich zusammenschließen und gemeinsam für Gerechtigkeit einzutreten“, erklärt die Leiterin des Frauenreferates, Gabriele Wenner.
Allen gemeinsam: das Aufbegehren gegen soziale Ungleichheiten
Obwohl es bis in die 1840er-Jahre hinein nahezu keine freien Frauenvereine, keine Frauenversammlungen, keine Frauenpresse und keine Möglichkeit zur politischen Betätigung von Frauen gab, bildeten die streitbaren Frauen Zusammenschlüsse, Netzwerke, Vereine, Gruppen. Sie organisierten sich im Frankfurter Turnverein oder in der Anti-Sklaverei-Bewegung in den USA.
Die Revolutionär:innen waren Arbeiterinnen und Bürgerinnen, Journalistinnen und Kulturschaffende, Netzwerkerinnen und Feministinnen – vereint in ihrer gemeinsamen Revolte gegen soziale Ungleichheiten und ihrem Kampfgeist für politische Partizipation und rechtliche Gleichstellung. Es ging ihnen u.a. darum, dass Frauen sich scheiden lassen und wiederverheiraten konnten (Mathilde Franziska Anneke und Johanna Kinkel). Es ging ihnen um die Abschaffung der Sklaverei (Sojourner Truth oder Harriet Tubman) oder um die gesellschaftliche Akzeptanz als jüdische Schriftstellerin und Künstlerin (Fanny Lewald oder Fanny Mendelssohn).
„Wir möchten im Rahmen der aktuellen Debatten um Demokratie zu einer feministischen Erinnerungsarbeit beitragen. Wir wollen Kontinuitäten, Brüche und Widersprüche in der Demokratiegeschichte sichtbar machen. Denn sonst werden diese Kämpfe gegen Patriarchat und Kolonialismus, gegen Ungleichheit und Unterdrückung nicht erzählt. Wir wollen hier intervenieren und dafür sorgen, dass Emanzipationsgeschichten erzählt und erinnert werden. Dabei suchen wir nach Kollektivität, Solidarität und Widerstand. Gewaltverhältnisse sind damals wie heute ineinander verschränkt, ebenso wie die Proteste dagegen, “, ergänzt die Kuratorin und Projektleitung Linda Kagerbauer aus dem Frauenreferat der Stadt.
Moderne und feministische Erinnerungskultur stärken
Aushandlung von Demokratie ist eine bis heute aktuelle Geschichte von Konflikten: ein Ringen um Teilhabe und Mitbestimmung. Fragen wie „Wer definiert und repräsentiert Demokratie? Welche Rolle spielen Frauen in demokratischen Prozessen? Wie können wir Demokratie feministisch und plural gestalten?“ beschäftigen uns bis heute. Die Revolutionär:innen können darauf eine Antwort geben: Die Ausstellung will deutlich machen, was ihr Handeln mit dem heutigen Demokratieverständnis gemeinsam haben und was die nachfolgenden Generationen von diesen revolutionären Frauen lernen können.
„Ihr Wirken ist ein zentraler Beitrag für die Demokratiegeschichte. Sein Verschweigen hingegen zeigt, dass das heutige Bild von Frauen des 19. Jahrhunderts verbunden mit Friedfertigkeit und Machtlosigkeit, ein verzerrtes und auch mit Blick auf unsere Geschlechterdebatten lähmendes ist”, erläutert die Historikerin Dorothee Linnemann vom Historischen Museum Frankfurt.
Ausstellungsinformationen und Rahmenprogramm
Die Ausstellung kann ab dem heutigen 28. April zu den regulären Öffnungszeiten des Kaisersaals täglich von 10 bis 17 Uhr besucht werden.
Informationen können unter Kaisersaal (frankfurt-tourismus.de) eingesehen werden.
Ausführliche Informationen zu den einzelnen Biografien finden sich im Katalog. Postkarten stellen die Frankfurter Akteur:innen genauer vor.
Das Rahmenprogramm mit dialogischen Führungen, Theateraufführungen und Veranstaltungen lädt zum Kennenlernen und Diskutieren ein.
Die dialogischen Führungen können im Einzelnen online gebucht werden und greifen aktuelle Fragen rund um Demokratie, Erinnerungsarbeit und Geschlechtergerechtigkeit auf. Klischeefreie Zone | Frankfurt am Main | Revolutionär:innen (klischeefreie-zone-ffm.de)
Bei der Langen Nacht der Museen am 13. Mai treffen die Besucher:innen im Rahmen der Ausstellung exklusiv auf die Installation </A “Manifesto” of= {every} One.s Own> von Swoosh Lieu, die Puzzleteile vergangener Kämpfe in neue Zusammenhänge bringt. Sie setzt sich auf den Spuren feministischer Geschichte mit den Möglichkeiten einer utopischen Zukunft auseinander.
Die Ausstellung kann außerdem beim „Römer Open 2023 – Einblick ins Rathaus“, dem Tag der offenen Tür im Rathaus der Stadt Frankfurt am Main besucht werden. Am 20. Mai 2023 lädt die Stadtverwaltung unter dem Motto „Demokratie erleben“ einen ganzen Tag lang dazu ein, den Römer zu erkunden: Start (einblick-ins-rathaus.de)
Alle Informationen zur Ausstellung und zum Begleitprogramm sind zu finden unter: Revolutionär:innen (klischeefreie-zone-ffm.de)
Die Ausstellung und das Rahmenprogramm wurden vom Frankfurter Frauenreferat initiiert, konzipiert und kuratiert. Fachlich begleitet durch Dorothee Linnemann vom Historischen Museum Frankfurt, unter Mitarbeit von Birgit Bublies-Godau vom Institut für soziale Bewegungen, Ruhr-Universität Bochum. Unterstützt wird das Projekt auch von der Tourismus + Congress GmbH Frankfurt am Main.
(Text: PM Stadt Frankfurt)
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… erschließt sich ihre Welt, indem sie viel Zeit in der Natur verbringt. Bei langen Fahrradtouren und schöne Wanderungen tankt sie Kraft. Lokale Themen sind ihre Welt. Sowohl in den Printprodukten als auch online informiert sie am liebsten über Polizeiberichte, Tiergeschichten und Umweltthemen. Absolute Lieblingsbeschäftigung in der Adventszeit: Plätzchen backen.
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