Krankenhausreform: Was wird aus der wohnortnahen Versorgung Hessens?

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Asklepios Klinik in Langen (Foto: Asklepios)

Die vom Bundesgesundheitsministerium geplante Krankenhausreform sorgt für Zündstoff. Experten im Gesundheitswesen sehen durch die Reform in ihrer jetzigen Form die Existenz zahlreicher Kliniken und damit auch auch die Gesundheitsversorgung in Hessen gefährdet. Dies zeigt eine aktuelle Auswirkungsanalyse, die gestern von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) vorgestellt wurde.

Jan Voigt, Asklepios-Regionalgeschäftsführer und Geschäftsführer der Asklepios Klinik Langen. (Foto: LPR)

Dazu ein Interview mit Jan Voigt, Asklepios-Regionalgeschäftsführer und Geschäftsführer der Asklepios Klinik Langen.

„Herr Voigt, was würde die Krankenhausreform in ihrer aktuellen Fassung Ihrer Meinung nach bewirken? “

Jan Voigt: „Die Reform in ihrer jetzigen Fassung wird insbesondere den kleineren Kliniken die Existenzgrundlage entziehen. Denn, durch die geplante Eingruppierung in feste Leistungsgruppen und Versorgungslevel, wird ihnen jede Eintwicklungsmöglichkeit genommen. Alle Auswirkungsanalysen belegen, dass sich in Hessen durch die Reform z. B. die Zahl der Klinikstandorte, die eine Geburtshilfe betreiben auf 19 Standorte und die mit einem kardiologischen Angebot um 53 Prozent auf 18 Krankenhäuser reduzieren könnten. Das Reformvorhaben führt damit zu einer massiven Verschlechterung der Versorgung für die Menschen im Land. Würde man im Rahmen der Reform die Standorte erhalten wollen, wären jedoch immense Investitionen nötig. Unzählige Krankenhäuser würden damit an den Rand der Insolvenz getrieben und regionale Besonderheiten ignoriert.“

„Was wäre der Grund für diese drohende Entwicklung?“

Der aktuelle Entwurf der Reform teilt Krankenhäuser über das gesamte Bundesgebiet hinweg in drei verschiedene Versorgungsstufen ein. Entscheidend sind dabei nicht regionale Begebenheiten, sondern einzig das im Krankenhaus existierende Leistungsangebot. Der DKG-Analyse zufolge fallen in Hessen 92 Krankenhäuser in Stufe 1 (nur mit Grund- und Notfallversorgung), 5 Krankenhäuser in Stufe 2 (Regel- und Schwerpunktversorgung) und 14 Krankenhäuser in Stufe 3 (Maximalversorgung).

Diese Einteilung hat dramatische Folgen für das Versorgungsangebot in Deutschland. Beispiel Geburtshilfe: 2020 gab es noch 593 Standorte mit einer Geburtshilfe, nachdem deren Zahl in den vergangenen Jahren bereits deutlich abgenommen hatte. Der Reformkommission zufolge soll dieses Angebot künftig aber nur noch an Standorten mit Level 2 oder 3 betrieben werden. Da die Mehrheit der bisherigen Standorte allerdings in Level 1 eingestuft würde, müssten diese ihre Stationen aufgeben. Die DKG-Auswirkungsanalyse zeigt: Damit verblieben in Deutschland nur noch 227 Standorte – 52 Prozent aller Patientinnen in der Geburtshilfe müssten sich einen neuen Versorger suchen.

Das heißt kleinere Kliniken müssten jetzt eigentlich aufstocken und investieren?

„Genau, durch die reformbedingte Aufteilung haben kleinere Kliniken vor allem im ländlichen Raum das Nachsehen: Diese Stufe-1-Häuser werden in einen Wettlauf um die Einordnung in eine höhere Versorgungsstufe gedrängt, um ihre Fachbereiche wie z. B. die Geburtshilfe zu erhalten, wobei sie sich die Investitionen dafür gar nicht leisten können. Das generelle Problem der Unterfinanzierung des deutschen Gesundheitssystems wird in der Reform nicht angegangen. Vielmehr werden die ohnehin knappen Mittel nicht aufgestockt, sondern zu Gunsten der großen Häuser und Unikliniken anders verteilt. Für die Bevölkerung in eher ländlichen Gebieten hat das dann längere Fahrzeiten in die Metropolen zur Folge. Für die Rettungsdienste übrigens auch, weil die kleinen Kliniken akute Notfälle dann nur noch eingeschränkter versorgen können und dürfen.

Und das war bisher anders möglich?

„Nehmen wir z. B. die Asklepios Klinik Langen. In den vergangenen sieben Jahren haben wir mit der Langener Klinik die Entwicklung von einem Krankenhaus der Akut- und Regelversorgung hin zum Schwerpunktversorger hervorragend meistern können. Dies war nur durch sukzessive langfristige Investitionen, Schritt für Schritt möglich. Im Bereich der Intensivmedizin konnten wir unser ECMO Zentrum etablieren und wurden in der Pandemie zu einem der größten intensivmedizinischen Zentren in Hessen. Wir konnten in Zusammenarbeit mit dem Rettungdienst und dem Landkreis die Versorgung der Menschen der Region sicherstellen und mit unseren Spezialisten überlasteteten Kliniken Hilfestellung bieten. Solche Erfolgsgeschichten sind künftig quasi ausgeschlossen, da hierfür jede Plannungssicherheit genommen wird“, so Jan Voigt. „Wir appelieren an die Berliner Politik, keine Pauschalschablone über die regionalen Besonderheiten zu legen, die Kliniken in ihrer erfolgreichen Entwicklung finanziell zu unterstützen und den Kliniken bzw. den Bundesländern die Planungshoheit zu überlassen, um ihre Region bestmöglich zu versorgen.“

(Text: PM LPR)