„Die Organistentätigkeit bildet das ganze Leben ab“, sagt Hans-Dieter Müller. Der Eppertshäuser weiß, wovon er spricht: Seit Jahrzehnten umrahmt er mit seinem Orgelspiel Taufe und Kommunion ebenso wie Beerdigungen. Dazwischen liegt im Leben die Hochzeit, „manchmal ist sie ernst gemeint und manchmal nur Show“, hat der 67-Jährige festgestellt. Der vergangene Sonntag in der Kirche St. Sebastian war für Müller ein besonderer: Seit nunmehr 50 (!) Jahren gehört er zum Kreis jener Musiker, die für die katholische Kirchengemeinde in Eppertshausen spielen. Auch die Gottesdienste der evangelischen Friedensgemeinde in Eppertshausen sowie zweier Gemeinden in Messel und Kranichstein begleitet Müller in seinem (Un-)Ruhestand, in den er 2019 gegangen ist.
Den Gottesdienst bereicherte am Wochenende der Frauenchor Dieburg, den Müller seit 2013 dirigiert – was aktuell ebenfalls noch für das Vokalensemble „Incognito“ gilt. „Ich wollte kein großes Jubiläumskonzert“, sagt Müller mit Blick auf sein halbes Jahrhundert als Organist der Gemeinde St. Sebastian. „Ich habe den Frauenchor aber gebeten, die Messe zu begleiten.“
Die katholische Kirchengemeinde in Eppertshausen schöpft hinsichtlich ihrer Organisten noch ziemlich aus dem Vollen. Eine Handvoll Musiker teilt sich den Orgeldienst, „ich bin etwa vier- bis sechsmal im Monat dran“, erzählt Müller. Andernorts sei die Lage wesentlich schlechter, Organisten Mangelware. Womit nicht mal Instrumentalisten aus dem höchsten Regal der Konzertorganisten gemeint sind, zu denen sich Müller selbst nicht zählen würde. Vielmehr gehe es um den „ganz normalen Orgeldienst“. Wobei der Eppertshäuser, der vom Klavier kommt, auch diese Routine so ernst nimmt, dass er noch immer regelmäßig auf der Orgel von St. Sebastian übt. „Ich habe den Schlüssel für die Kirche“, lächelt er.
Seine Rolle als Organist ordnet der examinierte Haupt- und Realschullehrer sowie examinierte Chorleiter, der sich unter anderem an der Darmstädter Wilhelm-Leuschner-Schule und als Dirigent des Eppertshäuser Gesangvereins Germania einen Namen machte, so ein: „Ich sehe mich als musikalischer Diener der Gemeinde.“ Sein Orgelspiel solle Begleitung und nicht Mittelpunkt des geistlichen Geschehens sein. Dies aber stets zuverlässig: „Mir ist die Verbindlichkeit meiner Tätigkeit sehr wichtig. Schließlich sehe ich sie auch als sozialen Dienst am Menschen.“ Zu Corona-Zeiten, als er auf der Empore von St. Sebastian der Einzige war, der im Gotteshaus singen durfte, habe er gesehen, wie gut das der Seele der Gottesdienst-Besucher (die selbst stumm bleiben mussten) getan habe. Es sei also seine Pflicht, derlei Veranstaltungen „einen würdigen Rahmen zu geben“.
Diese Pflicht übt Hans-Dieter Müller so gewissenhaft aus, dass er sogar während des WM-Finales 2002 zwischen Deutschland und Brasilien eisern an der Orgel saß. „Damals hatte ich für einen Orgeldienst um die Mittagszeit zugesagt und gedacht, was soll da schon sein“, lacht der sportaffine Eppertshäuser rückblickend. Die Zeitverschiebung ins japanische Yokohama, wo das Endspiel damals stieg, hatte er vorab jedoch außer Acht gelassen. Am Sonntag war das besser: Das WM-Spiel zwischen Deutschland und Spanien stieg erst am Abend, lange nach getanem Orgelwerk.
Stichwort Sport: Dem räumt Hans-Dieter Müller nach einem schönen, aber auch kräftezehrenden Berufsleben mit Schule, weiteren Lehraufträgen und (meist abendlichen) Leitungen von insgesamt 15 Chören inzwischen wieder deutlich mehr Raum ein. Gleiches gilt für einen Italienisch-Kurs, den er gerade an der Volkshochschule belegt, und den fest installierten „Enkeltag“. Den vier Kirchengemeinden will der Eppertshäuser aber auch nach seinem „Runden“ in St. Sebastian als Organist die Treue halten.
(Text: jedö)
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