FRANKFURT (PM) – Gemeinsam mit indigenen Gemeinschaften wertet das Frobenius-Institut an der Goethe-Universität historische Forschungsreisen aus
Welche Bedeutung hat eine historische Sammlung ethnografischer Objekte heute? Wie kann ihr Potenzial für indigene Gemeinschaften, Museen und die Öffentlichkeit neu bewertet werden? Diesen Fragen stellt sich das gerade gestartete Projekt „Die deutschen ethnografischen Expeditionen in den australischen Kimberley. Forschungsgeschichtliche Bedeutung, digitale Repatriierung und gemeinsame Interpretation des indigenen Kulturerbes“. Zwei deutsche ethnografische Expeditionen in die Kimberley-Region im nordwestlichen Australien stehen im Zentrum des Vorhabens: 1938 bis 1939 fand eine Reise des Instituts für Kulturmorphologie (heute Frobenius-Institut, Frankfurt am Main) statt, 1954 bis 1955 schickte das Münchner Museum für Völkerkunde (heute Museum Fünf Kontinente) eine Forschergruppe in die Region auf der anderen Seite der Erdkugel. Diese Reisen sollen nun systematisch und aus der Perspektive beider Seiten gemeinsam bewertet werden.
Das vom Frobenius-Institut an der Goethe-Universität Frankfurt am Main gemeinsam mit der University of Western Australia koordinierte Forschungsvorhaben geht auf eine Initiative mehrerer indigener Wanjina Wunggurr-Gemeinschaften aus Nordwest-Australien zurück. Zu den Materialien, die das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierte Projekt in den Blick nimmt, gehören zahlreiche unveröffentlichte Fotos, Zeichnungen, Skizzen, Felsbildkopien und Tagebücher. Sie werden ebenso wie der direkte Input der beteiligten Aboriginal corporations die die historischen Quellen ergänzen, korrigieren und bewerten, zu den Forschungen beitragen. Das Material aus den deutschen Archiven ist von großem Interesse für die indigenen Gemeinschaften und wird ihnen unter Rücksichtnahme auf kulturelle Gepflogenheiten und möglicherweise sensible Inhalte in den Bild- und Textdokumenten zur Verfügung gestellt, um eine gemeinsame Auswertung zu ermöglichen.
Mit seinem kollaborativen Forschungsdesign wird das Projekt zu einer Fallstudie kritischer Forschungsgeschichte und ethnologischer Wissensproduktion. Damit soll es einen Beitrag zur Debatte über die zentralen Herausforderungen leisten, vor denen heute ethnografische und ethnologische Archive, Museen und Sammlungen stehen. Das Projekt konzentriert sich dabei auf die Analyse der relevanten Materialien aus der Kimberley-Region, die sich in deutschen Institutionen befinden, diese werden aufbereitet, digitalisiert, übersetzt und kontextualisiert. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der gemeinsamen Bewertung der Materialien und ihrem zukünftigen Potenzial — sowohl für die deutschen Archive als auch für die indigenen Forschungspartner in Australien. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit einer Summe von 441.900 Euro gefördert und gemeinsam von Dr. Richard Kuba am Frobenius-Institut an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Associate Professor Martin Porr (University of Western Australia) koordiniert. Es wird in Zusammenarbeit mit den Wunambal Gaambera, Dambimangari und Wilinggin Aboriginal Corporations, dem Weltkulturen Museum in Frankfurt und dem Museum Fünf Kontinente in München durchgeführt. Die Laufzeit beträgt drei Jahre.