Podium zum Thema Verantwortung von Religionen in der Rassismus-Debatte

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Groß-Gerau. 70 Gäste zugelassene Gäste in der Stadthalle Groß-Gerau interessierte die Frage: Was können Religionen gegen Rassismus tun? Eingeladen hatte die Ahmadiyya Muslim Jamaat Groß-Gerau.

Danyyal Tariq, der für den interreligiösen Dialog in der Gemeinde zuständig ist, führte die Gäste mit einem Grußwort in den Abend ein. Zu Beginn ertönte bei absoluter Stille die arabische Rezitation des Korans – die Übersetzung leitete direkt in das Thema ein: 49:12- O die ihr glaubt! lasset nicht ein Volk über das andere spotten, vielleicht sind diese besser als jene; noch Frauen (eines Volkes) über Frauen (eines anderen Volkes), vielleicht sind diese besser als jene. Und verleumdet einander nicht und gebet einander nicht Schimpfnamen. Schlimm ist das Wort: Ungehorsam nach dem Glauben; und wer nicht ablässt, das sind die Frevler.

Groß-Geraus Bürgermeister Erhard Walther gab einen kurzen Impuls und forderte alle Religionen auf bei der Bewältigung von Rassismus mitzuwirken.
Die Diskussion auf dem Podium führten Christine Bucholz (Bundestagsabgeordnete/ Die Linke), Michael Gahler (Abgeordneter des Europäischen Parlaments/ CDU), Dr. Reiner Becker (Leiter Demokratiezentrum Hessen), Nilüfer Kuş (Koordinationsstelle gegen Rechtsextremismus & Rassismus Groß Gerau), Wolfgang Prawitz (Evangelisches Dekanat Groß-Gerau – Rüsselsheim) & Abdullah Wagishauser (Bundesvorsitzender Ahmadiyya Muslim Jamaat). Moderiert wurde das Gespräch von Salman Tyyab (Fernsehjournalist), der gleich am Anfang die Frage stellte: „Hat Deutschland ein Rassismusproblem? Wenn ja, warum?“ Alle anwesenden Podiumsgäste waren sich schnell einig: „Ja“, es gäbe ein Rassismusproblem. Die Ursachen darin sahen alle aber in unterschiedlichen Dingen: „Kolonialismus“ (Gahler), „Erziehung“ (Wagishauser), „Strukturen“ (Kuş).

Kuş gab Einblick in die Arbeit in Groß-Gerau und sprach unter anderem von einem Fall einer kopftuchtragenden Muslima, die im Frühjahr an einer Bushaltestelle zunächst beschimpft und dann mit einer Flüssigkeit übergossen wurde und niemand darauf reagierte. Bucholz sprach darüber, wie insbesondere der anti-muslimische Rassismus in den letzten Jahren wachse und setzte die These: „Wer Nazis bekämpfen will, muss anti-muslimischen Rassismus bekämpfen.“

Becker wies darauf hin, dass der Rassismus besonders nach 9/11 und mit der Fluchtwelle 2015 eine besondere Ebene erreicht habe: „Wir haben das Problem außerdem seit Jahrzenten aufgeschoben. Jetzt müssen wir enorm aufholen. Es wird derzeit viel getan, doch es ist noch ein langer Prozess bis zum Ziel.“
Gahler sprach den Politikern unter anderem auch Innenminister Seehofer ins Gewissen: „Hätte er mich zur Rassismusstudie in der Polizei gefragt, hätte ich ihm davon nicht abgeraten.

Wagishauser betonte als Muslim nochmal die eingangs zitierten Verse und wies darauf hin, dass der Prophet Muhammad noch in seinen letzten Tagen darauf hinwies: „Ein Weißer ist nicht besser als ein Schwarzer, noch ist ein Schwarzer besser als ein Weißer.“ Durch die Würdigung und Schätzung von dem schwarzen Sklaven Bilal, der zu einem Vorbild für Rechtschaffenheit unter den Muslimen wurde, hat Gott bereits in der Geschichte des Islams dafür gesorgt, dass solche Vorurteile für immer verstummen sollten.

Ähnlich äußerte sich auch Prawitz, der für die evangelische Kirche sprach und auf den Impuls des Bürgermeister Walther einging, der in Religionen auch eine spaltende Kraft sah: „Je mehr ich mich Gott ergebe, mit allen zehn Geboten, desto klarer werde ich mir, dass ich auch meine Mitmenschen gut behandeln sollte. Ganz gleich welcher Religion oder Nation sie angehören.“

Die zwei Stunden samt Fragen aus dem Publikum waren schnell verflogen als der Moderator abmoderierte: „Wenn wir alle heute den Anfang machen und genau hinschauen, nach außen, wenn Rassismus anderen widerfährt und nach innen, um unser Denken zu hinterfragen, dann haben wir heute schon etwas erreicht. Lassen Sie uns den Anfang machen und jener Dominostein sein, der eine Bewegung ins Leben ruft. Eine Bewegung, die das Miteinander in unserer Gesellschaft fördert.“